Neben dem eigentlichen, proaktiven Wegzug kennt § 6 Abs. 1 S. 1 AStG auch Tatbestände, die ohne einen Wegzug die Rechtsfolgen der Wegzugsbesteuerung herbeiführen.
1. Übertragung auf nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person (§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AStG)
Nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AStG stellt
- die unentgeltliche Übertragung des infragestehenden Anteils i.S.d. § 17 Abs. 1 S. 1 EStG
- auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person
einen Ersatzrealisationstatbestand für Zwecke der Wegzugsbesteuerung dar. Beachten Sie: Der bisherige Wortlaut des § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AStG a.F. sah insoweit eine Übertragung der Anteile durch ganz oder teilweise unentgeltliches Rechtsgeschäft unter Lebenden oder durch Erwerb von Todes wegen auf nicht unbeschränkt steuerpflichtige Personen vor.
a) Unentgeltliche Übertragung
Unter dem Terminus der unentgeltlichen Übertragung will die Legislative Übertragungen durch Rechtsgeschäft unter Lebenden oder durch Erwerb von Todes wegen subsumieren. Beachten Sie: Einer gesonderten Regelung für Erwerbe von Todes wegen bedarf es daher – im Gegensatz zur alten Rechtslage – nicht mehr.
Was geschieht bei "teilentgeltlicher" Übertragung? Aus dem alleinigen Abstellen auf eine unentgeltliche – und damit nicht mehr auch teilentgeltliche – Übertragung, könnte geschlossen werden, dass etwa der verbilligte Verkauf für einen symbolischen Euro an einen Steuerausländer künftig nicht mehr der Wegzugsbesteuerung unterliegt. Nach der Gesetzesbegründung soll indes in diesen Fällen eine Aufteilung für Zwecke der Anwendung des § 6 AStG in
- einen voll entgeltlichen und
- einen voll unentgeltlichen
Anteil erfolgen, wobei auf den unentgeltlichen Teil § 6 AStG Anwendung finden soll. Beachten Sie: Dies erscheint auch vor dem Hintergrund der im Kontext des § 17 EStG geltenden Trennungstheorie des BFH – die auch so durch die Finanzverwaltung anerkannt ist – stringent.
Beraterhinweis Insoweit wird die Vorschrift des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AStG der bisherigen Handhabung entsprechen, so dass von einer Verkürzung des Anwendungsbereiches vorliegend nicht auszugehen ist.
b) Person
Mit "Person" ist vorliegend nicht nur eine natürliche Person als Erwerber zu verstehen, sondern auch eine juristische Person. Konsequenterweise ist daher auch der Begriff der unbeschränkten Steuerpflicht nicht auf eine Steuerart begrenzt, sondern umfasst
Im Kontext der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht sind dabei auch die Sonderformen der unbeschränkten Steuerpflicht – hier nach § 1 Abs. 2, 3 und § 1a EStG – relevant.
Beraterhinweis Durch die aktive Begründung eines inländischen Wohnsitzes/gewöhnlichen Aufenthaltes respektive eines inländischen Sitzes/Ortes der Geschäftsleitung des infragestehenden Erwerbers ließe sich so der Tatbestand des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AStG vermeiden – allerdings gilt es sodann, bei doppelt ansässigen Erwerbern den Tatbestand des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AStG zu würdigen.
Vergleich Altfassung zu Neufassung: Hervorzuheben gilt an dieser Stelle, dass
- der Wortlaut des § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AStG a.F. von einer Übertragung "auf nicht unbeschränkt steuerpflichtige Personen" (Plural) ausging,
- während der neue Wortlaut des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AStG nur die Übertragung "auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person" (Singular) vorsieht.
Allerdings sollte – trotz des eindeutigen Wortlauts – nach der hier vertretenen Auffassung nicht davon ausgegangen werden können, dass eine Übertragung an eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person vom Tatbestand erfasst ist, die Übertragung an zwei nicht unbeschränkt steuerpflichtige Personen indes nicht.Beachten Sie: Diese Auffassung ließe sich auch durch den Terminus des "Anteils" belegen. Gelangt man zu dem Ergebnis, dass ein "Anteil" i.S.d. § 6 AStG in aller Regel dem Geschäftsanteil oder der Aktie entspricht, dann wäre der Tatbestand des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AStG für jeden (einzelnen) Anteil separat zu prüfen, so dass die Vorschrift hinreichend konkret wäre.