Von der zivilrechtlichen Begründung des Anspruchs auf Zahlung des Arbeitsentgelts ist die Verpflichtung zum Einbehalt der LSt gem. § 38 EStG zu unterscheiden:
- während der Anspruch auf Zahlung des Arbeitslohns nach Erbringung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer entsteht,
- kommt es für die Verpflichtung zum Abzug von LSt ausschließlich auf die steuerlichen Vorschriften an – vorliegend also auf den Zeitpunkt der Zahlung des Lohns.
Beachten Sie: Dass die Finanzverwaltung keinen primären Zahlungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen kann, sondern nur nach § 42d EStG im Wege der Haftungsinanspruchnahme gegen den Arbeitgeber vorgehen kann, hat für den Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründetheit i.S.d. § 38 InsO keine Folgen. Sofern der Arbeitgeber seiner Verpflichtung zum Einbehalt der LSt bei Auszahlung des Lohns gem. § 38 Abs. 1 S. 1 EStG nicht nachkommt, greift unmittelbar in diesem Zeitpunkt auch die Haftung nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG.
Abzugrenzen ist
- die Haftung nach § 42d EStG
- von der Haftung der gesetzlichen Vertreter und Vermögensverwalter nach §§ 34, 69 AO.
Während die Haftung nach § 42d EStG als Haftung des Arbeitgebers "innerhalb" des Insolvenzverfahrens zu verstehen ist, können gesetzliche Vertreter – unabhängig von einem laufenden Insolvenzverfahren – parallel nach §§ 34, 69 AO in Anspruch genommen werden.
Für die Frage der insolvenzrechtlichen Begründetheit wird auf den Zeitpunkt der Zahlung des Lohns abgestellt.
Arbeitslohnauszahlung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne LSt-Einbehalt: Hat der Arbeitgeber vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens Arbeitslohn ausgezahlt, ohne die darauf entfallende LSt einzubehalten oder diese abzuführen, hat die Finanzverwaltung gegen den Arbeitgeber einen Haftungsanspruch nach § 42d EStG. Dieser ist auch unstreitig vor Insolvenzeröffnung gem. § 38 InsO begründet worden. Dies führt dazu, dass es sich bei dem Haftungsanspruch der Finanzverwaltung um eine Insolvenzforderung handelt.
Zahlt der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens für fortgeführte Arbeitsverhältnisse Arbeitslöhne, hat der Insolvenzverwalter die LSt bei Auszahlung gem. § 38 Abs. 1 S. 1 EStG einzubehalten. Die Zahlungen gehen zu Lasten der Insolvenzmasse gem. § 55 Abs. 1 InsO, da die Forderungen nach Verfahrenseröffnung begründet wurden (§ 38 InsO). Kommt der Insolvenzverwalter seiner Verpflichtung zum Einbehalt nicht oder nicht zutreffend nach, haftet der Insolvenzverwalter als Arbeitgeber zunächst gem. § 42d EStG.
Schwieriger ist die Einordnung der lohnsteuerlichen Konsequenzen, wenn der Insolvenzverwalter
- nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf rückständigen Arbeitslohn Zahlungen leistet und
- der Lohnanspruch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist.
Dies ist in der Praxis insbesondere für Zeiträume denkbar, in denen kein Insolvenzgeld (§§ 165 ff. SGB III) gezahlt wurde. In diesem Fall handelt es sich bei den Ansprüchen auf Zahlung des Arbeitsentgelts um Insolvenzforderungen, die mit dem Bruttowert zur Insolvenztabelle anzumelden sind. Da in dieser Konstellation vor Insolvenzeröffnung kein Lohn ausgezahlt wurde, bestand auch keine Pflicht zum Einbehalt der LSt gem. § 38 Abs. 1 S. 1 EStG und es kann auch kein durch die Finanzverwaltung als Insolvenzforderung anzumeldender Haftungsanspruch aus § 42d Abs. 1 EStG entstehen. Der Insolvenzverwalter leistet seine Lohnzahlung inkl. LSt auf eine Insolvenzforderung. Beachten Sie: Nur wenn der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Lohn auszahlt und die LSt nicht oder nicht zutreffend gem. §§ 38 ff. EStG einbehält, kann die Finanzverwaltung den Insolvenzverwalter als Arbeitgeber gem. § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG in Haftung nehmen. Dieser Haftungsanspruch begründet dann eine Masseverbindlichkeit.
Beraterhinweis Insolvenzrechtlich ist es nicht relevant, wann der Arbeitgeber die einbehaltene LSt beim FA anzumelden hat (§ 41a EStG). Dies kann jedoch für die Frage der persönlichen Haftung des Geschäftsführers nach §§ 34, 69 AO von Bedeutung sein.