Eine weitere rechtliche Beurteilung hat das FG bezüglich der Wertgutscheine (bzw. Mehrzweck-Gutscheine) und dem damit in Zusammenhang stehenden Vorsteuerabzug vorgenommen. Dies hatte im Urteilsfall keine größere Bedeutung (aufgrund des vergleichsweise niedrigen Anteils an Wertgutscheinen im Vergleich zu Erlebnisgutscheinen), könnte jedoch für die gesamte Branche der Gutscheinhändler extreme wirtschaftliche Risiken mit sich bringen. Die Versagung des Vorsteuerabzugs bei Vorliegen eines Wertgutscheins (bzw. Mehrzweck-Gutscheins) wird deshalb im Folgenden näher beleuchtet.
1. Einordnung der Erlebnis- und Wertgutscheine
Wenn bezüglich der Leistungsbeziehung zwischen Kläger und Erlebnispartner keine Vermittlungsleistung (wie im Urteilsfall), sondern ein Gutschein im umsatzsteuerlichen Sinne anzunehmen wäre, stellen sich nochmals andere Fragen. Dies wäre z.B. in dem sog. Voucher-for-Voucher-Modell (V4V-Modell) der Fall. Bei diesem Modell stellt der Kläger dem Endkunden einen Gutschein aus, welcher nicht direkt für ein Erlebnis eingelöst werden kann, sondern wiederum zum Erwerb eines Gutscheines beim Erlebnispartner berechtigt. Erst mit Ausgabe dieses (zweiten) Gutscheins kann ein bestimmtes Erlebnis in Anspruch genommen werden. Umsatzsteuerlich würde hier in der Ausstellung des (ersten) Gutscheins durch den Kläger an den Endkunden eindeutig ein Gutschein im umsatzsteuerlichen Sinne gem. § 3 Abs. 13 UStG und keine Vermittlungsleistung vorliegen.
Der Kategorisierung der Gutscheine kommt in Bezug auf die umsatzsteuerlichen Folgen eine erhebliche Bedeutung zu, da die Nichteinlösung in der einen Fallkategorie nicht der Umsatzsteuer unterworfen werden muss und in der anderen schon. Die folgenden Erwägungen basieren auf der ab dem 1.1.2019 geltenden Rechtslage.
Maßgeblich kommt es auf die "Bestimmtheit" oder auch "hinreichende Konkretisierung" einer Leistung an, welche eine entscheidende Rolle im Umsatzsteuerrecht spielt – insbesondere bei der Behandlung von Gutscheinen.
- "Einzweckgutscheine" sind solche, bei denen bereits zum Zeitpunkt der Ausgabe alle relevanten Informationen wie der Ort der Leistung und die geschuldete Umsatzsteuer feststehen. Diese Informationen ermöglichen es, den Gutschein sofort der Umsatzbesteuerung zu unterwerfen.
- Im Gegensatz dazu sind bei "Mehrzweckgutscheinen" zum Zeitpunkt der Ausgabe nicht alle für die Besteuerung relevanten Tatbestandsmerkmale bekannt. Dies führt dazu, dass die Besteuerung erst bei der Einlösung des Gutscheins erfolgt, wenn die tatsächlich erbrachte Leistung feststeht. Die Ausgabe und Übertragung eines Mehrzweckgutscheins unterliegen daher nicht der Umsatzsteuer.
Die Unterscheidung zwischen Einzweck- und Mehrzweckgutscheinen und eine damit verbundene Bestimmtheit der Informationen sind essenziell, um den korrekten Zeitpunkt der Umsatzbesteuerung festzulegen und eine insgesamt korrekte steuerliche Behandlung sicherzustellen.
Das erhaltene Geld für einen Mehrzweck-Gutschein wird somit bei Nichteinlösung keiner Umsatzbesteuerung unterworfen, da auch kein Leistungsaustausch stattgefunden hat. Dies steht im Einklang mit der Gutscheinrichtlinie und der MwStSystRL.
Demzufolge ist die Nichteinlösung eines Einzweck-Gutscheins auch nicht direkt ein Fall der Minderung der Bemessungsgrundlage gem. § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG (Nichtausführung der Leistung, obwohl das Entgelt bereits entrichtet ist), da nach § 3 Abs. 14 S. 2 UStG bereits die Übertragung des Einzweck-Gutscheins als Leistung gilt. Hier wird ebenso auf den durch das Gesetz fingierten Leistungszeitpunkt abgestellt – in diesem Fall kommt es jedoch zu profiskalischen Folgen. Erst wenn das Entgelt gegen Rückgabe des Gutscheins erstattet wird, kommt es zu einer Änderung der Bemessungsgrundlage (vgl. § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG).
Beraterhinweis: Bei dem V4V-Modell muss daher unbedingt die umsatzsteuerliche Ausgestaltung als Einzweck- oder Mehrzweckgutschein und die daraus resultierende Rechtsfolge beachtet und konkret geplant werden. Insbesondere müssen die möglichen Folgen bezüglich des Vorsteuerabzuges einbezogen werden.
2. Vorsteuerabzug
Das FG geht davon aus, dass die mit nicht steuerbaren Umsätzen (Ausgabe und Nichteinlösung von Wertgutscheinen bzw. Mehrzweck-Gutscheinen) in Zusammenhang stehenden Vorsteuerbeträge nicht abziehbar sind, da keine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt würde. Folgt man dem Urteil, würde dies dazu führen, dass jedem Steuerpflichtigen der Vorsteuerabzug anteilig versagt werden müsste, soweit er Mehrzweck-Gutscheine i.S.d. aktuell geltenden Rechts ausgibt, die nicht eingelöst werden. Die Entscheidung betrifft daher also nicht nur den Vertrieb von Gutscheinen für Freizeiterlebnisse,...