Sachverhalt: In dem Vorlageverfahren TP geht es um die Frage, ob die Vergütung eines Verwaltungsratsmitglieds einer luxemburgischen Gesellschaft das Entgelt für eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit darstellt. TP ist Mitglied im Verwaltungsrat mehrerer AGs nach luxemburgischem Recht. In dieser Rolle nimmt er an Entscheidungen über die Rechnungslegung, die Risikopolitik sowie die zu verfolgende Strategie und Ausarbeitung von Vorschlägen für die Aktionärsversammlung teil. Der jeweilige Verwaltungsrat diskutiert kollektiv über mögliche Optionen und trifft Entscheidungen, die ggf. nicht von allen Mitgliedern des Kollegialorgans mitgetragen werden.
Einordnung der Generalanwältin Kokott: Die Generalanwältin prüft, ob eine wirtschaftliche und selbständige Tätigkeit nach Art. 9 MwStSystRL vorliegt. Dabei spricht sie explizit von einem typologischen Ansatz zur Bestimmung des Steuerpflichtigen. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass es sich beim Begriff des Steuerpflichtigen folglich um einen sog. Typusbegriff handelt. Dies klingt so auch bereits im Urteil IO des EuGH sowie im Urteil zum Aufsichtsratsmitglieds des BFH an. Den Typusbegriff kennen wir auch im deutschen Recht. Im Gegensatz zum sog. Klassenbegriff, dessen jeweilige Voraussetzungen unabdingbar erfüllt sein müssen, um ein Tatbestandsmerkmal zu bejahen, können sich beim Typusbegriff die Kriterien ggf. auch substituieren und in geringerem oder größerem Umfang realisiert sein. Entscheidend ist eine wertende Zuordnung. Einzelnen Kriterien kommt daher nicht unbedingt eine logisch konstitutive Bedeutung zu. Ein Beurteilungskriterium, das besonders stark ausgeprägt ist, kann vielmehr ein anderes, nur schwach ausgeprägtes Kriterium ggf. substituieren.
Die typische Tätigkeit eines selbständigen Steuerpflichtigen, so die Generalanwältin, zeichne sich durch ein eigenes wirtschaftliches Risiko aus. Er entscheide, welche Risiken er einzugehen bereit ist und wie viel seiner Zeit er in das ein oder andere Projekt investieren will. Dieser Zeitaufwand und die Qualität der Tätigkeit spiegeln sich nach Feststellung der Generalanwältin in der Regel auch in der Höhe seiner Vergütung wider.
Sodann stellt die Generalanwältin fest, dass TP seine Vergütung nicht für seine eigene Tätigkeit, sondern als Teil eines Kollektivorgans erhalte. Er hafte nicht persönlich, sondern zunächst hafte nur das Organ, dem er angehört. Dies spreche gegen eine eigenständige Risikotragung. Für die Haftung könne insbesondere nicht auf eine deliktische Haftung abgestellt werden, da diese grundsätzlich jede Person treffen können, also auch den klassischen Angestellten. Eine unternehmerische Initiative könne TP als Organmitglied nicht entfalten. Er könne seine Tätigkeit nicht auf dem freien Markt anbieten, sondern nur gegenüber der jeweiligen Gesellschaft erbringen, bei deren Organ er Mitglied ist.
Ergänzend weist die Generalanwältin darauf hin, dass die Höhe von TPs Vergütung offenbar ebenfalls unabhängig vom jeweiligen Arbeitsaufwand war. Zudem sei die Vergütung nach dem Vorlagebeschluss des luxemburgischen Gerichts einseitig durch die Hauptversammlung, d.h. ein anderes Organ der Gesellschaft, festgesetzt worden. Die Generalanwältin macht dabei deutlich, dass es nach ihrer Auffassung für die Frage des wirtschaftlichen Risikos nicht darauf ankommt, ob TP eine variable oder eine feste Vergütung erhält. Denn selbst wenn TP keine feste, sondern eine variable Vergütung erhalte bzw. die Vergütung sich an dem Erfolg der Gesellschaft orientiere, so obliege es nicht TP selbst, die Höhe der Vergütung festzulegen. Angesichts dessen partizipiere er bei einer variablen Vergütung im Ergebnis auch nur wie ein Aktionär am Erfolg der Gesellschaft. Die Partizipation an einem fremden (Gewinn-) Risiko könne nicht mit der Tragung eines eigenen (Gewinn- und Verlust-)Risikos gleichgesetzt werden. TPs Vergütung könne sich zudem im schlimmsten Fall nur auf null reduzieren. Verluste oder anderweitige Risiken habe er – anders als ein typischer Unternehmer – nicht zu tragen. Als bedeutsam, aber vom Vorlagegericht nicht im Sachverhalt aufgeführt, wäre nach Auffassung der Generalanwältin, ob TP auch dann eine Vergütung erhält, wenn er z.B. krankheitsbedingt temporär nicht tätig werden kann.
Einordnung der Ausführungen zur Vergütungsart: Die Ausführungen zur variablen und fixen Vergütung sind hier als besonders interessant hervorzuheben. Denn das Urteil des EuGH in der Rs. IO wurde vom BFH und ihm folgend der Finanzverwaltung offensichtlich so verstanden, dass nur bei einer (zumindest ganz überwiegend) fixen Vergütung keine Unternehmereigenschaft gegeben sei. In der Literatur wurde bereits vielfach diskutiert, ob dieses Verständnis methodisch richtig sein kann. Es ist begrüßenswert, dass die Generalanwältin hier so eindeutig erläutert, dass auch bei einer variablen Vergütung die Unternehmereigenschaft eines Gremienmitglieds fehlen kann. Denn auch dann hat das Gremienmitglied die Höhe der Vergütung womöglich nur bedingt in ...