Tz. 117
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
In seiner jüngeren Rspr verlangt der BFH, dass in die Prüfung des Fremdvergleichs nicht nur die Ebene der Kö und deren Interesse einzubeziehen ist. Vielmehr ist auch auf die Position des Leistungsempfängers abzustellen; eine vGA kann deshalb auch dann vorliegen, wenn eine Vereinbarung zwar für die Gesellschaft günstig ist, ein gesellschaftsfremder Vertragspartner sich aber im eigenen Interesse nicht auf sie eingelassen hätte; zB s Urt des BFH v 20.10.2004 (BFH/NV 2005, 723), und s Urt des BFH v 06.04.2005 (BStBl II 2006, 196). Der Fremdvergleich muss also auch aus der Sicht des Gesellschafters geführt werden: Hätte sich ein Fremder gegenüber der Kö auf diese Vereinbarung eingelassen? Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom "doppelt ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter".
Den doppelten Fremdvergleich hat der BFH mit seiner Rspr zur Nur-Pension entwickelt. Er hat entschieden, dass eine sog Nur-Pension (also Gesamtbezüge eines Ges-GF, die nur aus einer Pensionszusage bestehen) zu einer vGA führen. Die Gestaltung sei zwar aus Sicht der Kö vorteilhaft und biete daher keinen Ansatzpunkt für die Annahme einer vGA iSv § 8 Abs 3 S 2 KStG. Ein fremder Vertragspartner (Fremd-GF) würde sich allerdings – so der BFH – darauf nicht einlassen. Auch seine Sichtweise müsse einbezogen werden, so dass die Nur-Pension einem Fremdvergleich nicht standhalte; s Urt des BFH v 17.05.1995, BStBl II 1996, 204 (auch s Urt des BFH v 25.07.1995, BStBl II 1996, 153 zur Nur-Pension an den Ehegatten eines Gesellschafters einer Pers-Ges). Der BFH hat dabei Anleihen bei § 1 Abs 1 AStG und Art 9 Abs 1 OECD-MA genommen. Auch dort müsse geprüft werden, ob die Geschäftsbeziehungen zwischen nahe stehenden Personen den Bedingungen entsprächen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen vereinbart hätten (unter Einbeziehung beider Vertragspartner).
Tz. 118
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Diese Sichtweise ist für die vGA-Abgrenzung nicht unproblematisch. Dies zeigt bereits eine ergebnisgeprägte Betrachtung zur Rechtsstellung und zu den Zielen des § 8 Abs 3 S 2 KStG: Im Gesellschaftsverhältnis veranlasste Vorgänge sollen das Einkommen der Kö nicht mindern. Wird ein Geschäft abgeschlossen, das für die Kö nur von Vorteil ist, liegt eigentlich kein Ansatzpunkt für die Annahme einer vGA bei der Kö vor; ihr Einkommen ist höher, als wenn sie einen fremdüblichen Vertrag mit einem Dritten abgeschlossen hätte. Ein fremder Dritter hätte – um bei der Thematik "Nur-Pension" zu bleiben – neben der Pension auch noch ein Festgehalt verlangt. Wo soll hier die Vermögensminderung der Kap-Ges liegen? Sie stellt sich mit der Nur-Pension an den Ges-GF weit besser als bei Anstellung eines Fremd-GF. Im Übrigen darf auch die Frage erlaubt sein, ob eine solche Vereinbarung nicht auch mit einem fremden Dritten, der über genügend andere liquide Mittel verfügt, vorstellbar ist.
In der Lit wurde zu Recht gefragt, ob aus dieser Rspr nun gefolgert werden müsse, dass ein Ges-GF nicht mehr für seine Gesellschaft für ein zu niedriges Entgelt tätig sein dürfe. Tw wird in der Folge geraten, im Zweifel eher ein zu hohes Entgelt als ein zu niedriges Entgelt zu vereinbaren (zu hohes Entgelt: nur partielle vGA hinsichtlich des übersteigenden Betrags; zu niedriges Entgelt: volle vGA für das vereinbarte Entgelt wegen Verstoß gegen den doppelten Fremdvergleich); s Hoffmann, DStR 1996, 729.
Tz. 119
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Systematisch sind die Regelungen in § 1 Abs 1 AStG bzw Art 9 Abs 1 OECD-MA und in § 8 Abs 3 S 2 KStG nicht vergleichbar; sie haben unterschiedliche Zielsetzungen. Ein wesentlicher Unterschied ist bereits, dass nach den beiden genannten internationalen Regelungen auch Nutzungsüberlassungen und unentgeltliche Dienstleistungen korrigiert werden, während § 8 Abs 3 S 2 KStG nur verbilligte Leistungen aus, aber nicht in die Gesellschaft "bestraft". Für eine Analogie zu Lasten der Stpfl besteht keinerlei Veranlassung. Ebenso kritisch s Frotscher (in F/D, Anh zu § 8 KStG Rn 191), s Kohlhepp (in Schn/F, § 8 KStG Rn 444ff) und s Gosch (in Gosch, KStG, § 8 KStG Rn 361ff), der die Einbeziehung des Vertragspartners aber gleichwohl in Einzelfällen als hilfreich ansieht. Frotscher weist zu Recht darauf hin, dass "Schutzobjekt" des § 8 Abs 3 S 2 KStG allein das Einkommen der Kö und nicht die wirtsch Interessen eines Dritten sind. Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs des doppelten Fremdvergleichs auf Vereinbarungen, die zwischen fremden Dritten schlechthin undenkbar sind, halten wir für sinnvoll (in diese Richtung s Urt des FG Berlin-Brdbg v 12.11.2008, EFG 2009, 433, zu einem Fall der Anmietung eines Grundstücks von einem mit 50 % beteiligten Gesellschafter).
Tz. 120
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Zwischenzeitlich hat auch der BFH seine Sichtweise zum doppelten Fremdvergleich eingeschränkt. Jedenfalls soll die Berücksichtigung der Position des Geschäftspartners nur noch indizielle Bedeutung zukommen (als einer von vielen...