Ein Miterbe kann seinen Anteil am Nachlass (seinen Erbteil) an einen anderen Miterben oder an einen Dritten verschenken oder verkaufen (§ 2033 Abs. 1 BGB). Wird ein Erbteil verschenkt, findet § 11d Abs. 1 EStDV Anwendung. Denn durch den unentgeltlichen Erwerb des Erbteils ist der Beschenkte in der Rechtsstellung des Schenkers eingetreten, die dieser innerhalb der Erbengemeinschaft gehabt hat. Die anteilige AfA, die dem Beschenkten an dem zum Nachlass gehörenden Grundstück zusteht, bemisst sich demzufolge (weil der Schenker ebenfalls unentgeltlich erworben hat) nach der AfA-Bemessungsgrundlage der Erbengemeinschaft (§ 11d Abs. 1 Satz 1 EStDV). Der Beschenkte kann – anteilmäßig – nur noch das nicht bereits verbrauchte AfA-Volumen abschreiben.
Verkauft ein Miterbe dagegen seinen Erbteil, ist § 11d Abs. 1 EStDV nicht anwendbar. Der Erwerber muss seine AfA ausgehend von seinen Anschaffungskosten nach § 7 EStG bemessen.
Nach bisheriger Auffassung der Finanzverwaltung kann bei Verkauf eines Erbanteils unter den Voraussetzungen des § 23 EStG ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn entstehen (BMF v. 14.3.2006 – IV B 2 - S 2242 - 7/06, BStBl. I 2006, 253 Rz. 43 = ErbStB 2006, 120 [Krömker]). Diese Rechtsauffassung teilt der BFH jedoch nicht. Mit Urteil v. 26.9.2023 hat er entschieden, dass der entgeltliche Erwerb eines Anteils an einer gesamthänderischen Beteiligung nicht zur (anteiligen) Anschaffung der Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens führt, denn eine gesamthänderische Beteiligung ist kein Grundstück und auch kein Recht, das den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegt (BFH v. 26.9.2023 – IX R 13/22, EStB 2024, 46 [Günther]; s. dazu Kamps/Gravenhorst, ErbStB 2024, 69). Das gilt selbst dann, wenn sich im Gesamthandsvermögen nur Grundstücke befinden. Zur Begründung verweist er darauf, dass der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a EStG zivilrechtlich zu verstehen ist. Eine gesamthänderische Beteiligung vermittelt aber keinen sachenrechtlich fassbaren Anteil und infolgedessen auch kein Verfügungsrecht des einzelnen an den Gegenständen des Gesamthandsvermögens. Sie kann deshalb einem Grundstück oder einem grundstücksgleichen Recht nicht gleichgestellt werden.
Daran ändert auch § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO nichts. Denn nach dieser Vorschrift wird eine anteilige Zurechnung i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO i.R.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG nur erforderlich, wenn die Gesamthand selbst, die nicht Schuldnerin der Einkommensteuer ist, den Besteuerungstatbestand erfüllt. Bei Anschaffungs- oder Veräußerungsvorgängen, die – wie im Streitfall – von einzelnen Gesellschaftern oder Gemeinschaftern verwirklicht werden, ist dagegen eine Zurechnung nach Bruchteilen nicht erforderlich. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO ist daher nicht anzuwenden, wenn der Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts deshalb nicht erfüllt ist, weil kein Grundstück, sondern ein Gesellschafts- oder Gemeinschaftsanteil angeschafft worden ist. Soweit der BFH mit Urt. v. 20.4.2004 – IX R 5/02 (BStBl. II 2004, 987 = ErbStB 2004, 244 [Kussmann]) eine hiervon abweichende Auffassung vertreten hat, hält er hieran nicht länger fest.
Eine eventuelle Steuerpflicht ergibt sich nach Auffassung des BFH auch nicht aus § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG, da diese Vorschrift nur Beteiligungen an Personengesellschaften erfasst. Dies schließt jedoch eine Anwendung auf Erbengemeinschaften aus, da diese nicht zu den Personengesellschaften zählen. Für eine Anwendung von § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG über den Gesetzeswortlaut hinaus fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke.
Beraterhinweis Quintessenz der Entscheidung: Wer einen Grundstücksanteil entgeltlich erwirbt und innerhalb von zehn Jahren veräußert, kann unter § 23 EStG fallen, nicht jedoch derjenige, der als Beteiligter einer Erbengemeinschaft einen Erbanteil an einer Erbmasse erwirbt, zu der auch ein Grundstück gehört, das er nachfolgend innerhalb von zehn Jahren veräußert. Es bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung auf die Entscheidung des BFH reagieren wird.