Leitsatz
Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG können Anschaffungs- oder Herstellungskosten für ein zum Umlaufvermögen gehörendes Grundstück, die im Jahr der Zahlung nicht geltend gemacht worden sind und infolge der Bestandskraft der entsprechenden Veranlagung auch in diesem Jahr nicht mehr geltend gemacht werden können, nicht ohne weiteres im Jahr der ersten "offenen" Veranlagung abgezogen werden. Das gilt auch dann, wenn der Abzug unterblieben ist, weil der Steuerpflichtige fälschlich davon ausgegangen ist, es handle sich bei dem angeschafften Wirtschaftsgut um Privatvermögen.
Normenkette
§ 4 Abs. 3 EStG , § 11 Abs. 2 EStG
Sachverhalt
Eine grundstücksverwaltende GbR hatte im Jahr 1993 ein weiteres Grundstück mit einem Rohbau erworben, das Gebäude später fertig gestellt und das bebaute Grundstück sodann im Jahr 1995 verkauft.
Die Gesellschaft ging davon aus, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, und nahm in der Gewinnfeststellungserklärung für das Jahr 1993 Sonderabschreibungen nach § 4 Abs. 2 FördG i.H.v. 50 % der Anschaffungskosten des gesamten Grundstücks vor. Nach Bestandskraft der Gewinnfeststellung erkannte die GbR, dass sie wegen einer Betriebsaufspaltung gewerbliche Einkünfte erzielte. Sie stellte eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung für 1993 auf und behandelte die Anschaffungskosten als Betriebsausgaben. Das FA lehnte eine Änderung der Gewinnfeststellung für 1993 jedoch ab.
Daraufhin begehrte die GbR erfolglos den Abzug der Anschaffungskosten als Betriebsausgabe des Streitjahrs 1994. Die Klage hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH bestätigte das Urteil des FG. Es könne dahinstehen, ob die GbR zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG berechtigt gewesen sei. Denn auch bei Bejahung der Frage seien die Kosten für den Erwerb des Grundstücks nicht im Streitjahr abzuziehen. Da das Grundstück Umlaufvermögen gewesen sei, hätten die Kosten grundsätzlich 1993 abgezogen werden müssen. Soweit dies versäumt worden sei, minderten die Kosten dann den Gewinn aus der Veräußerung des Wirtschaftsguts (hier 1995).
Hinweis
1. Bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung werden die Kosten für die Anschaffung von Anlagevermögen nicht im Zeitpunkt der Verausgabung als Betriebsausgabe abgezogen, weil § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG vorschreibt, dass die Anschaffungskosten erst im Zeitpunkt der Entnahme oder Veräußerung des Wirtschaftsguts berücksichtigt werden dürfen. Anders verhält es sich mit den Kosten für die Anschaffung von Umlaufvermögen. Diese sind sofort abziehbare Betriebsausgaben.
2. Das Besprechungsurteil betrifft einen Fall, in dem der Unternehmer zunächst nicht erkannt hatte, dass ein Grundstück Umlaufvermögen war. Er hatte angenommen, das Grundstück gehöre zu seinem Privatvermögen. Dementsprechend waren die Anschaffungskosten nicht Einkünfte mindernd abgezogen worden (wegen Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen allerdings nur zum Teil). Die Rechtslage ist derjenigen vergleichbar, in der der Unternehmer das Wirtschaftsgut für Anlagevermögen hält, obwohl es in Wahrheit Umlaufvermögen ist. In beiden Fallvarianten müssten die Anschaffungskosten an sich im Jahr des Erwerbs als Betriebsausgabe abgezogen werden. Ist diese Möglichkeit wegen Bestandskraft der Veranlagung für jenes Jahr verbaut, gibt es – anders als bei der Bilanzierung – nicht die Möglichkeit der Berichtigung in der nächsten noch "offenen" Veranlagung.
Danach könnte die Besorgnis berechtigt sein, dass die Anschaffungskosten endgültig als Betriebsausgaben "verloren" sind. Der BFH hat jedoch in diesen Fällen ein Einsehen und will den Abzug der Anschaffungskosten ersatzweise im Jahr der Veräußerung zulassen. Das Wirtschaftsgut des Umlaufvermögens wird damit hilfsweise wie ein Gut des Anlagevermögens behandelt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 30.6.2005, IV R 20/04