Sachverhalt
Bei der Klage der EU-Kommission gegen Spanien ging es um die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß Art. 98 i.V.m. Anhang III MwStSystRL auf bestimmte Heilbehandlungsmittel in Spanien. Die EU-Kommission warf Spanien einen Richtlinienverstoß vor, weil Spanien auf folgende Gegenstände einen ermäßigten Steuersatz anwendet:
- medizinische Stoffe, die üblicherweise für die Herstellung von Medikamenten verwendet werden können und dafür geeignet sind, nach Art. 91.Uno.1.5º und Dos.1.3º des spanischen MwStG,
- Gesundheitsprodukte, Stoffe, Ausstattung oder Werkzeug, die objektiv nur zur Vorbeugung bzw. zur Diagnose, Behandlung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Leiden von Menschen oder Tieren verwendet werden können, jedoch nicht normalerweise für die Linderung oder Behandlung von Behinderungen, ausschließlich für den persönlichen Gebrauch von Behinderten, verwendet werden, nach dem zweiten Absatz von Art. 91.Uno.1.6º des spanischen MwStG,
- Geräte und Zubehör, die im Wesentlichen oder hauptsächlich dazu dienen können, körperliche Behinderungen von Tieren auszugleichen, nach dem ersten Absatz von Art. 91.Uno.1.6º des spanischen MwStG, und
- Geräte und Zubehör, die im Wesentlichen und hauptsächlich dazu verwendet werden, Behinderungen des Menschen auszugleichen, jedoch nicht ausschließlich dem persönlichen Gebrauch des "Behinderten" dienen, wobei dieser Begriff in seiner gewöhnlichen Bedeutung, d. h. in einer anderen und engeren Bedeutung als der Begriff "Kranker" verwendet wird, nach dem ersten Absatz von Art. 91.Uno.1.6º des spanischen MwStG.
Die EU-Kommission war der Ansicht, dass die Regelung nach Art. 91.Uno.1.5º und 6º sowie Art. 91.Dos.1.3º des spanischen MwStG die Grenzen der MwStSystRL überschreite, da sie über die Möglichkeiten hinausgehe, die die Nummern 3 und 4 des Anhangs III der MwStSystRL zulassen.
Entscheidung
Der EuGH hat der Klage der Kommission in vollem Umfang entsprochen und entschieden, dass Spanien mit der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die genannten Gegenstände gegen die MwStSystRL verstoßen hat. Der EuGH hat seine ständige Rechtsprechung bestätigt, dass Unionsrechtsbestimmungen, die die Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes erlauben, eng auszulegen sind, da sie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumen, vom Grundsatz der Anwendung des Normalsteuersatzes abzuweichen. Außerdem müssen die Nrn. 3 und 4 des Anhangs III MwStSystRL in der gesamten Union autonom und einheitlich angewendet werden, da sie keinen ausdrücklichen Verweis auf das Recht der Mitgliedstaaten enthalten. Neu an der Entscheidung ist, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die "Konturen" der in diesen Nummern definierten Kategorien so, wie sie vom EuGH ausgelegt werden, zu berücksichtigen, wenn sie die einzelnen Kategorien von Gegenständen präzisieren, auf die sie einen ermäßigten Steuersatz anwenden.
Im Einzelnen wird nach der Entscheidung deutlich, dass Zwischenerzeugnisse, die üblicherweise für die Herstellung von Medikamenten verwendet werden und dafür geeignet sind, nicht unter die Steuerermäßigung fallen können. Solche Produkte können nicht als Arzneimittel iSv Anhang III Nr. 3 MwStSystRL angesehen werden, die "üblicherweise für die Gesundheitsvorsorge, die Verhütung von Krankheiten und für ärztliche und tierärztliche Behandlungen verwendet" werden. Die Vorschrift erfasst nur fertige Produkte, die vom Endverbraucher unmittelbar gebraucht werden können, unter Ausschluss der Erzeugnisse, die für die Herstellung von Medikamenten verwendet werden können und üblicherweise noch verarbeitet werden müssen.
Zu den in Anhang III Nr. 4 MwStSystRL aufgeführten "medizinische Geräte, Hilfsmittel und sonstige Vorrichtungen, die üblicherweise für die Linderung und die Behandlung von Behinderungen verwendet werden und die ausschließlich für den persönlichen Gebrauch von Behinderten bestimmt sind" führt der EuGH aus: Die Kategorie erfasst nicht - wie im spanischen Recht vorgesehen - Gesundheitsprodukte, Stoffe, Geräte und Vorrichtungen, "die objektiv nur zur Vorbeugung bzw. zur Diagnose, Behandlung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Leiden von Menschen oder Tieren verwendet werden können". Auch der in Anhang III Nr. 3 MwStSystRL verwendete Begriff der Arzneimittel erfasst diese Gegenstände nicht vollumfänglich. Anhang III Nr. 4 MwStSystRL erfasst Gesundheitsprodukte, die für eine spezifische Verwendung besonders erwähnt werden. Dieser Bestimmung würde nach dem Urteil ihre Bedeutung genommen, wenn Anhang III Nr. 3 MwStSystRL so ausgelegt würde, dass danach ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz auf alle Gesundheitsprodukte oder medizinischen Vorrichtungen angewendet werden könnte, ohne dass es auf den Gebrauch ankäme, für den sie bestimmt sind.
Auch Gegenstände, die zum Ausgleich von körperlichen Behinderungen von Tieren verwendet werden, fallen nach dem Urteil weder unter Nr. 3 noch unter Nr. 4 von Anhang III MwStSystRL, da Nr. 3 nur Arzneimittel begünstigt und Nr. 4 nur Gegenstände für den men...