Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Nach § 50c Abs. 1 S. 1 EStG ist der Steuerabzug in unveränderter Höhe durchzuführen, auch wenn aufgrund eines DBA oder der §§ 43b, 50g EStG ein niedrigerer Quellensteuersatz oder eine völlige Befreiung von der Quellensteuer gilt. Es ist also grundsätzlich ein zweistufiges Verfahren anzuwenden, nämlich der unverminderte Steuerabzug auf der ersten Stufe und die Erstattung der zu viel einbehaltenen Steuer auf der zweiten Stufe. Unklar ist, ob dies gegen das jeweilige DBA oder die einschlägige EU-Richtlinie verstößt. Da § 50c Abs. 2 EStG jedoch das Freistellungsverfahren vorsieht, dürfte sich die Regelung noch im Rahmen der DBA halten. Hinzu kommt, dass eine Reihe von DBA ausdrücklich ein Erstattungsverfahren vorsieht. Europarechtlich ist die Erhebung der vollen Quellensteuer mit anschließender Erstattung bei Fehlen einer Freistellungsbescheinigung gerechtfertigt, um die Steuererhebung sicherzustellen.
Der Erstattungsanspruch ist durch Antrag beim BZSt geltend zu machen, das hierüber durch Freistellungsbescheid entscheidet. Antrags- und Erstattungsberechtigt ist die beschränkt stpfl. Körperschaft (Gläubiger der Vergütung), und zwar auch insoweit, als die Vergütungsschuldner im Haftungswege für die Abzugssteuer in Anspruch genommen wurden.
Die Abzugsteuer muss für den durch das DBA geschützten Gläubiger der Erträge einbehalten und abgeführt worden sein. Maßgebend ist, wem nach deutschen steuerlichen Vorschriften die Erträge steuerlich zuzurechnen sind; dies kann von der zivilrechtlichen Zuordnung abweichen. Maßgebend ist das wirtschaftliche Eigentum nach § 39 AO, somit also die wirtschaftliche Dispositionsbefugnis. Bei Wertpapieren besteht wirtschaftliches Eigentum, wenn dem Erwerber eine rechtlich geschützte Position zusteht, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann und wenn die mit dem Wertpapier verbundenen wesentlichen Verwaltungs- und Vermögensrechte (Gewinnbezugs- und Stimmrechte) sowie die mit Wertpapieren üblicherweise verbundenen Kursrisiken und -chancen auf ihn übergegangen sind.
Die Frist für den Erstattungsantrag beträgt 4 Jahre nach Ablauf des Kj., in dem die Vergütung bezogen wurde; sie endet nicht vor einem Jahr nach dem Zeitpunkt der Entrichtung der Steuer (Ablaufhemmung). Die Ablaufhemmung hängt damit zusammen, dass der Erstattungsanspruch nur besteht, wenn die Steuer tatsächlich entrichtet worden ist. Es wird damit sichergestellt, dass der Berechtigte zumindest 1 Jahr Zeit hat, den Erstattungsantrag zu stellen. Diese Ablaufhemmung ist bedeutsam für die Fälle, in denen der Steuerabzug nicht vorgenommen worden ist und der Vergütungsschuldner daher haftet. Da die Abzugsteuer tatsächlich nicht bezahlt worden ist, bestand rechtlich gar keine Möglichkeit, rechtzeitig ein Erstattungsverfahren einzuleiten.
Enthält ein DBA eine längere Frist, gilt diese; eine kürzere Frist in einem DBA wird durch § 50c Abs. 3 S. 2 EStG verdrängt.
Daneben gelten auch die Tatbestände der Ablaufhemmung nach § 171 AO, insbesondere § 171 Abs. 3, 3a und 4 AO. Werden die genannten Fristen nicht eingehalten, erlischt der Erstattungsanspruch. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO) kann von der Finanzbehörde nicht gewährt werden, da der Tatbestand dieser Vorschrift nicht vorliegen wird. Die Antrags- bzw. Festsetzungsfrist ist keine Frist, die der Stpfl. "einzuhalten" hat. Diese Fristen sind vielmehr von der Finanzbehörde von Amts wegen zu beachten und unterliegen nicht ihrer Dispositionsbefugnis.
Eine Erstattung der Quellensteuer an beschränkt Stpfl. erfolgt nur, wenn diese nicht durch § 50d Abs. 3 EStG ausgeschlossen ist ("Treaty Shopping").
Eine Erstattung analog § 50c Abs. 3 EStG hat zu erfolgen, wenn die Einkünfte im Inland nicht steuerbar waren. Der Erstattungsantrag ist in diesem Fall an dasjenige FA zu richten, an das die Abzugssteuer abgeführt worden ist.
Eine besondere Regelung, deren Tragweite unklar ist, ist in § 50d Abs. 11a EStG enthalten. Mit dieser Vorschrift soll die Erstattungsberechtigung nach DBA geklärt werden, wenn der Empfänger der Zahlung (Dividende, Lizenzzahlung) eine hybride Gesellschaft ist. Das ist der Fall, wenn Deutschland als Quellenstaat und/oder der Ansässigkeitsstaat des Zahlungsempfängers die Einkünfte steuerlich einer anderen Person zurechnen, den Zahlungsempfänger also als transparent ansehen. In diesem Fall steht der Erstattungsanspruch nur derjenigen Person (Zurechnungsempfänger) zu, der die Einkünfte nach dem Recht des Ansässigkeitsstaates des Zahlungsempfängers zugerechnet werden (Qualifikationsverkettung – Deutschland übernimmt die Qualifikation des Zahlungsempfängers durch dessen Ansässigkeitsstaat). Mit dieser Regelung soll vermieden werden, dass bei hybriden Gesellschaften als Zahlungsempfänger die Entlastung ins Leere geht, andererseits sollen aber auch Doppelentlastungen vermieden werden. Neben vielen Unklarheiten wirft diese Regelung mehrere grundlegende Probleme auf:
- Wirkt die Vorschrift nur verfahrensrechtlich oder materiell-r...