Einheiten einer virtuellen Währung und sonstige Token sind ein "anderes Wirtschaftsgut" i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG. Gewinne aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Einheiten einer virtuellen Währung und von sonstigen Token können daher Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG darstellen, wenn der Zeitraum zwischen der Anschaffung und der Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Beachten Sie: Die Einkünfteerzielungsabsicht ist dabei nicht zu prüfen, da sie bereits aufgrund der Veräußerung innerhalb der Frist objektiviert vorliegt.
Beraterhinweis Bei Tauschvorgängen ist allerdings zu beachten, dass die Veräußerungsfristen des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG nach jedem Tausch neu beginnen.
Grundsatz der Einzelbetrachtung: Außerdem gilt für die Bestimmung der Verwendungsreihenfolge der veräußerten Einheiten einer virtuellen Währung und von sonstigen Token der Grundsatz der Einzelbetrachtung. Beachten Sie: Ist eine Einzelbetrachtung nicht möglich, gelten für die Zwecke der Haltefrist die zuerst angeschafften Einheiten einer virtuellen Währung und von sonstigen Token als veräußert und für die Wertermittlung ist die Durchschnittsmethode anzuwenden.Aus Vereinfachungsgründen kann für die Zwecke der Wertermittlung unterstellt werden, dass die zuerst angeschafften Token zuerst veräußert wurden (First in First out [FiFo]).
Walletbezogene Betrachtung: Zu beachten ist insoweit, dass eine walletbezogene Betrachtung gilt. Die gewählte Methode ist bis zur vollständigen Veräußerung der Einheiten einer virtuellen Währung oder einer bestimmten Art sonstiger Token in dieser Wallet beizubehalten.
Beraterhinweis Aus praktischer Sicht stellt sich allerdings die Frage, wie dies im Reporting gut und nachvollziehbar dargestellt werden kann.
Keine Verlängerung der Veräußerungsfrist: Zu begrüßen ist, dass bei virtuellen Währungen die Verlängerung der Veräußerungsfrist nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 4 EStG – anders als im Entwurf des BMF-Schreibens zur ertragsteuerlichen Behandlung von virtuellen Währungen und Token vom 14.6.2021 – nicht zur Anwendung kommt. Aus praktischer Sicht sollte sich damit die Diskussion über eine – wohl systemwidrige – Verlängerung der Haltefrist für die Steuerfreiheit bei privaten Veräußerungsgeschäften auf zehn Jahre erledigt haben.
Stellen Kryptowährungen ein Wirtschaftsgut dar? Im Übrigen verwundert es, dass auch das BMF-Schreiben v. 10.5.2022 keine Ausführungen zu der Frage enthält, ob Kryptowährungen ein Wirtschaftsgut darstellen und somit ihr An- und Verkauf nach §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG einen Besteuerungstatbestand erfüllen kann. In der Rechtsprechung der Finanzgerichte und des BFH – ein Revisionsverfahren ist unter dem Az. IX R 3/22 allerdings anhängig – ist dies bisher nicht geklärt. In seiner Entscheidung vom 8.4.2020 hatte zuletzt z.B. das FG Nürnberg dies verneint. Gegen das Vorliegen eines Wirtschaftsgutes i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG sprechen nach Ansicht des FG Nürnberg – ohne diese weiter zu konkretisieren – insbesondere technische Argumente. Ein anderer Teil der Rechtsprechung und Literatur geht davon aus, dass Kryptowährungen zu den Wirtschaftsgütern i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG gehören – und somit Gegenstand eines privaten Veräußerungsgeschäfts sein können.