Nachdem der V. Senat des BFH[4] den EuGH um Vorabentscheidung dazu ersucht hat, ob das nationale Aufteilungsgebot des § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG mit Unionsrecht vereinbar ist, hat der XI. Senat des BFH mit Beschluss vom 7.3.2022 die Aussetzung der Vollziehung gewährt, weil nach dem EuGH-Urteil "Stadion Amsterdam" nicht klar ist, ob bei einheitlicher Leistung am Aufteilungsgebot des § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG festgehalten werden kann.[5] Ebenso wurde auf übereinstimmenden Antrag der jeweils Verfahrensbeteiligten mit Beschlüssen das Ruhen der Verfahren (mit vergleichbaren Fragestellungen) bis zur Entscheidung des EuGH im Verfahren "Finanzamt X" angeordnet.[6]

Vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils "Finanzamt X" vom 4.5.2023[7] lässt sich einschränkend sagen, dass der EuGH und der BFH im Folgebeschluss[8] in der Vorschrift des § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG kein gesetzliches Aufteilungsgebot gesehen hat, sondern diese nur der Umsetzung von Art. 135 Abs. 2 Satz 1 MwStSystRL dient, nicht aber zur Ausübung der durch Art. 135 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL eingeräumten Ermächtigung. Im Gegensatz zu § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG soll § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG nach expliziter Auffassung des BFH in eindeutiger Weise ein (nationales) Aufteilungsgebot begründen.

Fraglich erscheint insoweit,[9] ob sich daraus tatsächlich Folgen für gesetzliche Aufteilungsgebote ergeben, wie u.a. für den Beherbergungsbereich in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG.

  • Denn einerseits hat der BFH die Unionsrechtskonformität des Aufteilungsgebots schon explizit für Frühstücksleistungen sowie auch für eine Einräumung von Parkmöglichkeiten auf dem hoteleigenen Parkplatz an Hotelgäste bejaht[10] unter dem Hinweis auf die Berechtigung der Mitgliedstaaten, konkrete und spezifische Aspekte einer Kategorie von Dienstleistungen i.S.d. Anhang III der MwStSystRL mit ermäßigten Steuersätzen zu belegen, falls der Grundsatz der steuerlichen Neutralität gewahrt bleibt.[11]
  • Andererseits hat der EuGH bereits früher entschieden,[12] dass bei Ausübung dieser Befugnis das Vorliegen einheitlicher Leistungen ohne Bedeutung ist, und der EuGH in der Entscheidung "Stadion Amsterdam" ebenso ausdrücklich darauf Bezug nimmt.[13]
[4] BFH, Beschl. v. 26.5.2021 – V R 22/20, BFH/NV 2021, 1316 = UR 2021, 707 m. Anm. Kirchinger/Fehrmann.
[5] BFH, Beschl. v. 7.3.2022 – XI B 2/21, BStBl. II 2023, 198 = UR 2022, 463 m. Anm. Nieskens = DStR 2022, 984 m. Anm. Treiber, der eine Selbstvorlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG gegenüber einem Abwarten auf den Ausgang des Verfahrens zu § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG präferiert hätte.
[7] EuGH, Urt. v. 4.5.2023 – C-516/21, ECLI:EU:C:2023:372 – Finanzamt X, UR 2023, 441 m. Anm. Nieskens, der dem Grundsatz der Einheitlichkeit immer Vorrang vor einem Aufteilungsgebot einräumt sowie von Streit/Streit, UStB 2023, 351 (352) und im Ergebnis wohl auch Huschens, eKommentar UStG § 12 Rz. 503 (Stand: Juli 2023) und Weymüller, BeckOK UStG, § 12 Abs. 2 Nr. 11 Rz. 4, 23, 33.1 (Stand: Januar 2024). A.A. u.a. Widmann in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG § 12 Abs. 2 Nr. 11 Rz. 31 (Stand: September 2022) sowie dezidiert Neeser, UVR 2022, 344 ff.
[8] BFH, Beschl. v. 17.8.2023 – V R 7/23, BFH/NV 2023, 1386 = UR 2023, 805 m. Anm. Widmann Rz. 19.
[9] Eher verneinend Wäger, UR 2019, 41 (49) sowie Treiber, DStR 2018, 1922 und Sterzinger, UStB 2019, 98 (99), der auf den Unterschied zwischen der Beurteilung einer einheitlichen Leistung und eines gesetzlichen Aufteilungsgebots hinweist, sowie Korf, MwStR 2018, 266; dagegen klar bejahend Nieskens, UR 2018, 181 (186) und mittlerweile auch Nieskens in Rau/Dürrwächter, § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG Rz. 68 ff. (Stand: Januar 2023); u.a. von Streit, UStB 2018, 106 (110) bzw. Oldiges, UR 2016, 596 (597–598) und DB 2018, 541 (544) sowie Grünwald, WPg 2024, 621 623).
[12] EuGH, Urt. v. 6.5.2010 – C-94/09, ECLI:EU:C:2010:253 – Kommission/Frankreich, UR 2010, 454 Rz. 33 f.
[13] EuGH, Urt. v. 18.1.2018 – C-463/16, ECLI:EU:C:2018:22 – Stadion Amsterdam, UR 2018, 200 Rz. 34 f.; erstaunlicherweise aber nicht im Urt. v. 4.5.2023 – C-516/21, ECLI:EU:C:2023:372 – Finanzamt X, UR 2023, 441 m. Anm. Nieskens.

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