rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Stiefkind nach Auflösung der Ehe der Ehegatten /eingetragenen Lebenspartner bei Wiedereinzug des Stiefkindes in den Haushalt des Stiefelternteils nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 EStG kindergeldrechtlich berücksichtigungsfähig
Leitsatz (redaktionell)
Zu den Kindern des Ehegatten bzw. Lebenspartners im Sinne des § 63 Abs. 1 Nr. 2 EStG zählen auch die Kinder des verstorbenen oder geschiedenen Ehegatten bzw. Lebenspartners, und zwar unabhängig davon, ob diese „durchgehend” im Haushalt des Stiefelternteils verbleiben. Ein Kindergeldanspruch des Stiefelternteils gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu einem leiblichen Kind seines Partners im Rahmen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft kann daher auch dann (wieder) bestehen, wenn das Stiefkind anlässlich der Trennung der Partner (Auflösung der Lebenspartnerschaft) zunächst aus dem bis dahin gemeinsamen Haushalt der Partner ausgezogen ist und später wieder in den nunmehrigen alleinigen Hausstand des Stiefelternteils einzieht (gegen Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil v. 1.3.2000, 14 K 293/98, EFG 2000 S. 795).
Normenkette
EStG § 32 Abs. 1 Nr. 2, § 63 Abs. 1 Nr. 2, § 64 Abs. 2; GG Art. 6 Abs. 1; PartG § 11 Abs. 2; BGB § 1590 Abs. 1-2
Tenor
1. Der Bescheid vom 5. Dezember 2022 und die Einspruchsentscheidung vom 18. Januar 2023 werden aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verpflichtet, zugunsten der Klägerin Kindergeld für das Kind K 1 für den Zeitraum November 2022 bis Januar 2023 in gesetzlicher Höhe festzusetzen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob für die Klägerin ein Anspruch auf Kindergeld für ihr Stiefkind K 1, geboren am XX.XX.XXXX, besteht.
Das Kind K 1 entstammt den leiblichen Eltern B und A (dem Beigeladenen). Die Klägerin lebte von XXXX bis XXXX in einer Beziehung mit der leiblichen Mutter des Kindes und von XXXX bis XXXX mit dieser in einem gemeinsamen Haushalt. Von XXXX bis XXXX bestand eine eingetragene Lebenspartnerschaft. Im gemeinsamen Haushalt lebten neben den beiden leiblichen Kindern der Klägerin auch die leiblichen Kinder (K 1 und K 2) der Lebenspartnerin, die mit Eintragung der Lebenspartnerschaft Stiefkinder der Klägerin wurden. Anfang XXXX trennten sich die Klägerin und Frau B. In diesem Zusammenhang zog Frau B mit ihren beiden leiblichen Kindern aus.
Nach unstreitigem Vortrag der Klägerin zog das Kind K 1 im Jahr 2019 zunächst zu ihrem Vater. Grund hierfür seien (…) gewesen. (…). Später habe der Vater daher einer Rückkehr des Kindes K1 in den Haushalt der Klägerin zugestimmt, woraufhin das Kind K 1 zur Klägerin zog und dort seit dem XX.XX.2022 mit alleinigem Wohnsitz lebt. Gegenüber der Familienkasse hat der Kläger der Auszahlung des Kindergeldes an die Klägerin zugestimmt.
Das weitere gemeinsame Kind (K 2, geb. XX.XX.XXXX) von B und A lebt bereits seit XX.XX. 2021 mit Zustimmung beider leiblicher Eltern im Haushalt der Klägerin. Beide Kinder leben seit ihrem Rückzug zur Klägerin bei dieser mit alleinigem Wohnsitz. Ihren Vater treffe das Kind K 1 nur in unregelmäßigen Abständen maximal zweimal im Monat abends und ihre Mutter nur alle 2-3 Monate an einem Nachmittag in der Stadt. Für K 2 gelte dasselbe.
Am 8. November 2022 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Kindergeld für das Kind K 1 ab November 2022. Dieser wurde mit Bescheid vom 5. Dezember 2022 abgelehnt. Zur Begründung führte die Beklagte aus:
„Das genannte Kind Ihrer ehemaligen Ehegattin kann bei Ihnen nicht als Stiefkind berücksichtigt werden, weil Sie nicht mehr verheiratet sind und im selben Haushalt leben.”
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 8. Dezember 2022 Einspruch. Das Stiefkindschaftsverhältnis sei nicht vom Bestand der Ehe oder Lebenspartnerschaft abhängig. Es bestehe vielmehr weiter, auch wenn die Ehe oder Lebenspartnerschaft geschieden oder aufgelöst werde.
Mit Einspruchsentscheidung vom 18. Januar 2023 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
Zur Begründung führte sie aus, das Kind könne nach § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG nicht mehr berücksichtigt werden, da das Kind nach der Scheidung nicht im Haushalt der Klägerin verblieben sei, sondern in den Haushalt der leiblichen Mutter und danach in den Haushalt des Vaters aufgenommen worden sei. Das Stiefkindschaftsverhältnis sei mithin „aufgelöst” worden. Die Wiederaufnahme des Kindes in den Haushalt der Klägerin begründe kein neues Stiefkindschaftsverhältn...