Entscheidungsstichwort (Thema)
Lebensmittelpunkt nach dem DBA Schweiz bei ständigem Wohnsitz in beiden Vertragsstaaten. Dienstreisen eines Grenzgängers im Ansässigkeitsstaat begründen keine Nichtrückkehrtage
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen nach Art. 4 Abs. 2 a S. 2 DBA Schweiz liegt in dem Staat, zu dem die deutlich engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestehen, die nicht nur gegenwartsbezogen sind und sich voraussichtlich nicht abbauen werden.
2. Allein die arbeitsrechtliche Residenzpflicht begründet keinen Lebensmittelpunkt am Arbeitsort.
3. Dienstreisen im Ansässigkeitsstaat zählen nicht zu den für die Grenzgängerregelung schädlichen Nichtrückkehrtagen.
4. Art. 15a Abs. 4 DBA-Schweiz, nach dem die Scheizer Quellensteuer auf die von dem Grenzänger erhobene deutsche Einkommensteuer analog § 36 EStG angerechnet wird, geht der Regelung des § 34c EStG vor.
Normenkette
DBA CHE 1971/2010 Art. 15a Abs. 2 S. 2; DBA CHE Art. 15a Abs. 3-4, Art. 4 Abs. 1, 2a; EStG § 1 Abs. 1 S. 1, §§ 36, 34; AO §§ 8-9
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist im Verfahrenszeitraum 1999, ob der Kläger seinen Lebensmittelpunkt in der Bundesrepublik hat und wo der aus seiner Tätigkeit in der Schweiz erhaltene Lohn zu versteuern ist.
Der verheiratete Kläger ist von Beruf Informatiker und seit dem 1. Mai 1998 als Manager bei der Firma X Schweiz AG in O beschäftigt. Er war im Rahmen der X für die Umstellung der X-Programme auf den Euro zuständig. Er machte deshalb eine Vielzahl von Dienstreisen und musste zudem am Sitz der X Schweiz in O tätig sein. Bezüglich der Dienstreisen im Einzelnen, die teilweise in Drittländer, teilweise auch in die Bundesrepublik führten, reichte er für die Jahre 1999 bis 2001 eine Aufstellung zu den Akten, auf deren Inhalt verwiesen wird (Einkommensteuerakte Bl. 51 bis 61). Danach war der Kläger 95 Tage in der Bundesrepublik tätig, elf Tage in Frankreich, zehn Tage in Spanien, 14 in Belgien, drei in Großbritannien, drei in Belgien und fünf in Österreich. Das beklagte FA ermittelte hieraus 50 Übernachtungen in der Bundesrepublik und 38 Übernachtungen in sonstigen Ländern. Nach den Angaben in einem in der Schweiz angestrengten Verfahren zur Revision der bestandskräftigen schweizerischen Veranlagungsverfügungen 1999 und 2003 war der Kläger im Jahr 2000 an 109 Tagen in der Bundesrepublik und an 60 Arbeitstagen in Drittländern tätig.
Seine Ehefrau war im Streitjahr 1999 mit einem Büro in Lörrach bis zum 31. Dezember als freiberufliche Übersetzerin u.a. auch für die X tätig. Sie ermittelte ihren Gewinn 1999 durch Einnahme – Überschussrechnung, auf deren Inhalt verwiesen wird. Zum 31. Dezember 1999 gab sie die freiberufliche Tätigkeit auf. Sie war mit 96% an einer Fa. Y AG in R/Schweiz beteiligt, die sich u. a. auch mit elektronischen Übersetzungsprogrammen befasste. Nach der beim beklagten Finanzamt eingereichten Gewinnermittlung 1999 lagen die Kosten für Telefon, Fax, Datex in etwa gleicher Höhe wie in den Vorjahren und betrugen 1999 x.xxx,xx DM. Ab 23. Juni 1999 bewarb sich die Ehefrau des Klägers bei der X School in B, ein 2. Gespräch erfolgte dort am 18. September 1999, weitere Bewerbungen erfolgten am 11. und 13. Oktober 1999. Am 1. November 1999 wurde die Ehefrau des Klägers bei X mit einem festen Arbeitsvertrag eingestellt und arbeitete ab diesem Zeitpunkt in der Schweiz. In ihrer Einkommensteuererklärung 1999 machte sie für November und Dezember 40 Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach B in der Schweiz mit 70 km geltend. Sie war nach einer Aufstellung in der Steuerakte des Klägers auch in den Jahren 2000 und 2001 für die X im Global Alliance S Team vor Ort in Vevey tätig. Sie hatte dort einen festen Arbeitsort mit einer Arbeitsbewilligung für S. Zunächst wohnte sie dort drei Monate im Hotel, später in einer von S angemieteten Wohnung. Im Jahr 2001 war sie in diesem Team teilweise in P, teilweise in O und N tätig gewesen und hatte in N eine Wohnung bis zum 21. November 2001. Am 28. Februar 2002 meldete sie sich in Q/Deutschland ab. Am 14. August 2002 schied sie bei der X in der Schweiz aus und trat eine Stelle bei einer Partnerfirma von X, einer Firma W bei U, an. In einem nahe gelegenen Ort G nahm sie einen 2. Wohnsitz an und meldete sich mit 1. Wohnsitz in Q/Deutschland an, ab 2003 war sie mit 2. Wohnsitz in T/Deutschland gemeldet.
Die Ehefrau des Klägers war im Streitjahr vielfältig politisch aktiv. Sie war zum einen Stadträtin bei der Stadt Q/Deutschland und stellte sich bei der Wahl zum Gemeinderat 1999 zur Wiederwahl. Sie wurde als Stadträtin wieder gewählt und war in dieser Funktion bis zum Februar 2001 in Q/Deutschland tätig. Zu diesem Zeitpunkt wurde sie verabschiedet. Außerdem fand im Juni 1999 die Europawahl statt. Die Ehefrau des Klägers war Listenkandidatin der xxx für die Europawahl in. Daneben war sie Mitglied des Ausschusses für Außenpolitik der xxx ...