Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung der Nutzungsbefugnis an einem Gebäude als steuerbare Leistung. Vorsteuerabzug. Erstmalige Verwendung. Unentgeltliche Leistungen keine Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 UStG. Umsatzsteuer 1992
Leitsatz (redaktionell)
1. Die (entgeltliche) Übertragung der Nutzungsbefugnis an einem Betriebsgebäude durch eine GmbH an eine GbR ist keine steuerbare Leistung, wenn die GmbH auch nach der „Übertragung” das Objekt wie zuvor uneingeschränkt weiter nutzt und sie – und nicht die GbR – weiterhin die Stellung eines Unterpächters innehat. Ein Leistungsaustausch zwischen GmbH und GbR hat insoweit nicht stattgefunden, denn die GbR hat keine Leistung für ihr Unternehmen bezogen. Sie ist nicht zum Vorsteuerabzug aus der in Rechnung gestellten und gezahlten „Gegenleistung” berechtigt.
2. Die Verwendung eines Wirtschaftsguts kann nur dann nicht als für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug maßgebliche erstmalige Verwendung angesehen werden, wenn sie kurzfristig und außerplanmäßig vor Beginn der eigentlich geplanten Verwendung stattfindet.
3. Unentgeltliche Leistungen, die zu unternehmerischen Zwecken getätigt werden, sollen die Ausgangsumsätze des Unternehmers fördern. Sie sind selbst keine Umsätze im Sinne des§ 1 Abs. 1 UStG. Vorbezüge, die gegenständlich in diese unentgeltlichen Leistugen eingehen, sind deshalb wirtschaftlich den Ausgangsumsätzen zuzurechnen und werden im Sinne des § 15 Abs. 2 UStG für diese verwendet.
Normenkette
UStG 1991 § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 3 Abs. 1, 9, § 1 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Abzug von Vorsteuern aus der Übertragung der Nutzungsbefugnis an einer Auto-Service-Halle von einer GmbH auf eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), an denen zum Teil die gleichen Gesellschafter beteiligt sind, ausgeschlossen ist, weil die weiterhin von der GmbH genutzte Halle dieser ohne Entgelt tatsächlich überlassen wurde.
(H.I.) war seit 1981 Pächter eines der Firma … AG (HLR) … gehörenden Grundstücks, auf dem er eine Tankstelle und einen Kfz-Service-Betrieb (Reifenverkauf und Reifenmontage) betrieb. Zur Fortentwicklung des Betriebs gründete er zusammen mit … (W.M.) die … GmbH … (GmbH), die fortan als Unterpächterin des H.I. auf derselben – zuvor durch weitere Parzellen der HLR erweiterten – Grundstücksfläche ein Auto-Service-Unternehmen betrieb. Ihre Gesellschafter waren H.I. und W.M. zu je 50%. Im Jahre 1992 errichtete die GmbH auf dem Pachtgrundstück eine Auto-Service-Halle.
Mit Vertrag vom 21. Dezember 1992 gründeten … (G. I.), die Ehefrau des H. I., und W. M. eine GbR, die Klägerin, an der die Gesellschafter zu je gleichen Anteilen beteiligt waren. Zweck und Gegenstand der Gesellschaft war die Verwaltung und Vermietung der Auto-Service-Halle. Das erste Geschäftsjahr sollte vom 21. bis zum 31. Dezember 1992 dauern. Ebenfalls am 21. Dezember 1992 schlossen die Klägerin und die GmbH eine Vereinbarung, wonach die GmbH „ihre Rechtsstellung hinsichtlich der Halle mit Wirkung zum heutigen Tage auf die GbR gegen Zahlung eines [bestimmten] Betrages … zuzüglich Umsatzsteuer” übertrug. Bis Ende 1992 wurde die Halle ohne zusätzliche schriftliche Absprache wie bisher von der GmbH weiterbenutzt.
Mit Rechnung vom 30. Dezember 1992 stellte die GmbH der Klägerin für die Übertragung der Rechtsstellung an der Halle 1.041.000,– DM zuzüglich 14 % Umsatzsteuer (USt) (145.740,– DM) in Rechnung. Diesen USt-Betrag machte die Klägerin in ihrer – berichtigten – Umsatzsteuer-Voranmeldung 1992 als Vorsteuer geltend. Ihre Umsätze gab sie mit 0 DM an. Das beklagte Finanzamt (FA) setzte die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Dezember 1992 erklärungsgemäß auf einen USt- Erstattungsbetrag von 145.740,– DM fest. Dieser Betrag wurde antragsgemäß ausbezahlt.
Mit Vertrag vom 07. Januar 1993 vermietete die Klägerin die Halle an die G. GmbH. Letztere überließ die Halle mit Vertrag vom 05. Januar 1993 im Wege der Untervermietung wiederum ab 01. Januar 1993 an die GmbH.
Nach Durchführung einer Außenprüfung bei der Klägerin (vgl. Prüfungsbericht vom 29. Dezember 1994) gelangte das Finanzamt zu der Auffassung, der Betrag von 145.740,– DM sei bei der Klägerin nicht als Vorsteuer abziehbar, da die GmbH die Halle nach der Übertragung ihrer Rechtsstellung auf die Klägerin noch bis Ende 1992 unentgeltlich tatsächlich wie bisher weiterbenutzt habe. Die Klägerin habe die Weiternutzung der Halle durch die GmbH hingenommen oder gestattet. Sie habe die Halle damit noch im Jahre 1992 selbst erstmalig durch unentgeltliche Vermietung verwendet (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 UStG)). Aufgrund dieser unentgeltlichen Vermietung entfalle der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. § 4 Nr. 12 Buchst. a Umsatzsteuergesetz (UStG) (vgl. Tz. 3.03. des Prüfungsberichts). Dementsprechend setzte das Finanza...