Entscheidungsstichwort (Thema)
In Nachträgen zum Versorgungsvertrag vereinbarte Kürzungen der vom Sohn dem Vater zugesagten Versorgungsleistungen als anfechtbare Rechtshandlungen i. S. d. Anfechtungsgesetzes (AnfG)
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird eine Anfechtung vom FA abweichend von § 13 AnfG nicht im Wege der zivilgerichtlichen Klage, sondern durch Duldungsbescheid gemäß § 191 Abs. 1 AO geltend gemacht, bestimmt sich abweichend von § 7 Abs. 1 AnfG die in § 4 AnfG festgelegte Vierjahresfrist gem. § 191 Abs. 1 S. 2 AO nach dem Zeitabstand zwischen dem Wirksamwerden der Rechtshandlung und dem Erlass des Duldungsbescheids.
2. Eine zur Benachteiligung des FA als Gläubiger führende Rechtshandlung i. S. d. AnfG liegt vor, wenn der Vater ohne juristische oder sittliche Notwendigkeit in zwei Nachträgen zu einem im Zusammenhang mit einer teilentgeltlichen Grundstücksübertragung geschlossenen Versorgungsvertrag gegenüber dem Sohn zeitlich unbegrenzt auf einen erheblichen Teil der ihm im Versorgungsvertrag auf Lebenszeit zugesagten monatlichen Rentenzahlungen verzichtet, ihm deshalb monatlich deutlich niedrigere Geldbeträge zufließen, ohne dass der Sohn dafür einen Gegenleistung erbracht hätte bzw. noch erbringen müsste, und wenn der Vater deswegen dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, seine erheblichen Steuerschulden zurückzuführen.
3. Der Sohn kann sich insoweit nicht auf einen Wegfall der Bereicherung berufen, wenn ihm bekannt sein muss, dass sein Vater in erheblicher Höhe Steuerschulden hat, die zugesagten Versorgungsleistungen einen erheblichen Teil der monatlichen Einnahmen des Vaters ausmachen und die Kürzungen dazu führen, dass der Vater zur vollständigen Tilgung der Steuerschulden nicht mehr in der Lage sein dürfte und das FA als dessen Gläubiger somit benachteiligt wird.
4. § 4 Abs. 1 AnfG setzt abweichend vom Begriff der Schenkung i. S. d. § 516 BGB keine vertragliche Einigung über die Unentgeltlichkeit voraus. Insofern sind die subjektiven Vorstellungen und Absichten der Beteiligten (des Schuldners einerseits und des Leistungsempfängers andererseits) nicht entscheidend, sondern es kommt auf die objektive Wertrelation zwischen der Leistung des Schuldners und der Gegenleistung des Empfängers an.
5. Für das Vorliegen einer anfechtbaren Rechtshandlung kommt es auf die Wirksamkeit der Rechtshandlung nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob der Schuldner durch sein Handeln (jedenfalls) dazu beigetragen hat, dass ein Vermögensgegenstand einem Dritten zugewandt worden ist.
6. Auch wenn ein im Zusammenhang mit einer teilentgeltlichen Grundstücksübertragung schuldrechtlich geschlossener Versorgungsvertrag mangels notarieller Beurkundung anfänglich nichtig war, so ist der Fehler der unterlassenen notariellen Beurkundung des Versorgungsvertrages jedoch durch die zeitlich unmittelbar nach Abschluss des Versorgungsvertrags erfolgte Auflassung des Grundstücks und den Übergang des Eigentums gemäß § 311 b Abs. 1 Satz 2 BGB geheilt worden.
Normenkette
AnfG §§ 2, 4 Abs. 1, § 11 Abs. 1, 2 Sätze 1-2, §§ 8, 13; AO § 191 Abs. 1 Sätze 1-2; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1; BGB § 311b Abs. 1 S. 1, § 818 Abs. 3
Nachgehend
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob ein vom Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller erlassener und auf § 4 des Anfechtungsgesetzes (AnfG) i. V. m. § 191 der Abgabenordnung (AO) gestützter Duldungsbescheid rechtmäßig ist oder nicht.
Der 1959 geborene Antragsteller, von Beruf selbständiger Versicherungskaufmann, ist Sohn des 1936 geborenen B., C.-Str., D.. Letzterer war seit mindestens 1973 Inhaber eines Einzelunternehmens „Kfz-Reparatur E.” mit Sitz in D., F.-Str. und wurde vom Antragsgegner zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Der Vater des Antragstellers hatte mindestens seit dem Jahr 2001 ganz erhebliche Steuerschulden beim Antragsgegner (im Jahr 2003 in sechsstelliger EUR-Höhe), weshalb letzterer die Zwangsvollstreckung gegen den Vater betrieb.
Mit notariell beurkundetem Schenkungsvertrag vom 10. Dezember 2002 übertrugen B. sowie seine Ehefrau das jeweils hälftige Eigentum an dem bebauten Grundstück C.-Str., D. auf den Antragsteller. Gleichzeitig erhielten die Eltern ein lebenslanges, grundbuchrechtlich abgesichertes, uneingeschränktes Nießbrauchsrecht an dem Grundstück. Das Grundstück war zu diesem Zeitpunkt mit einem Hypothekenkredit in Höhe von über 140 000,00 EUR belastet, der vom Antragsteller schuldrechtlich nicht übernommen wurde.
Im Jahr 2003 gab B. sein Einzelunternehmen auf. Neben dem Einzelunternehmen existierte die Autohaus G. GmbH (Alleingesellschafter: B.), bezüglich derer zum 1. April 2003 die Aufgabe der Gewerbetätigkeit beim Bezirksamt D. angezeigt wurde. Ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Autohaus G. GmbH wurde vom Amtsgericht D. noch im Jahr 200...