rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zollerstattung bei Wiederausfuhr einer Nichtgemeinschaftsware – Rückwirkende Bewilligung des aktiven Veredelungsverkehrs – Nichtgestellung beim Zollamt aufgrund falschen Verfahrenscodes

 

Leitsatz (redaktionell)

Der EuGH wird gemäß Artikel 267 Unterabsatz 2 AEUV um eine Vorabentscheidung zu folgender Frage ersucht:

Ist Artikel 239 Absatz 1 2. Anstrich ZK dahin auszulegen, dass in einem Fall der - nach rückwirkender Bewilligung des aktiven Veredelungsverkehrs erfolgten - Wiederausfuhr eingeführter Nichtgemeinschaftswaren, bei der, ohne dass dies angesichts der komplexen zollrechtlichen Situation auf offensichtliche Fahrlässigkeit zurückzuführen wäre, die Gestellung beim Zollamt aufgrund der Anmeldung unter einem unzutreffenden Verfahrenscode unterblieben ist, der Zoll wegen des Vorliegens besonderer Umstände erstattet werden kann?

 

Normenkette

ZK Art. 203 Abs. 1, Art. 239 Abs. 1 2. Anstrich; ZKDV Art. 900 Abs. 1 Buchst. e, f

 

Nachgehend

EuGH (Urteil vom 03.02.2021; Aktenzeichen C-92/20)

 

Tatbestand

I.

1. Die Klägerin stellt Arzneimittel her und vertreibt diese. Das beklagte Hauptzollamt erteilte der Klägerin im Oktober 2008 eine Bewilligung, als zugelassene Ausführerin Gemeinschaftswaren ausführen zu dürfen.

2. Die Klägerin meldete im Dezember 2014 beim beklagten Hauptzollamt 12,5 kg aus dem nichteuropäischen Ausland eingeführtes AAA, das sie zur Herstellung eines Arzneimittels verwenden wollte, zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Das beklagte Hauptzollamt nahm die Anmeldungen an und setzte gegen die Klägerin 181.491,82 € Zoll fest. Der bei der Klägerin für die Einfuhr zuständige Angestellte kennzeichnete das eingeführte AAA daraufhin in ihrem Datenverarbeitungssystem als Gemeinschaftsware, indem er die Abkürzung ”IM“ verwendete.

3. In der Folgezeit entschloss sich die Klägerin, das eingeführte AAA im Rahmen eines aktiven Veredelungsverkehrs zu verarbeiten. Deshalb beantragte sie beim beklagten Hauptzollamt, ihr rückwirkend eine entsprechende Bewilligung zu erteilen. Das beklagte Hauptzollamt erteilte der Klägerin rückwirkend ab dem 1. Dezember 2014 die Bewilligung einer aktiven Veredelung im Nichterhebungsverfahren für die Herstellung von Arzneimitteln aus dem eingeführten AAA und erklärte die für die Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr angenommenen Zollanmeldungen für ungültig. Es wies die Klägerin darauf hin, dass die Veredelungserzeugnisse für die Beendigung der aktiven Veredelung beim Zollamt zu gestellen und unter Angabe des Verfahrenscodes 3151 aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft wieder auszuführen oder einer anderen zollrechtlichen Bestimmung zuzuführen seien.

4. Das beklagte Hauptzollamt erstattete der Klägerin wegen der Ungültigerklärung der Zollanmeldungen zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr den festgesetzten Zoll.

5. Die Klägerin führte im März und April 2015 insgesamt 219,361 kg aus dem AAA hergestellte Arzneimittel sowie 4,31 kg nicht verarbeitetes AAA aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft in das Auland aus. Die Ausfuhren der Veredelungserzeugnisse und des AAA meldete sie im Rahmen der ihr erteilten Bewilligung als zugelassene Ausführerin unter Verwendung der Verfahrenscodes 1000 und 1041 an, weil der für die Abwicklung der Einfuhren zuständige Angestellte es unterlassen hatte, das AAA nach der Ungültigerklärung der Zollanmeldungen zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr in ihrem Datenverarbeitungssystem als Nichtgemeinschaftsware zu kennzeichnen. Aus diesem Grund wurden die von der Klägerin ausgeführten Veredelungserzeugnisse und das AAA dem Zollamt nicht gestellt.

6. Das beklagte Hauptzollamt setzte gegen die Klägerin 179.241,32 € Zoll fest, weil sie das AAA und die Veredelungserzeugnisse der zollamtlichen Überwachung entzogen habe.

7. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Ferner beantragte sie die Erstattung des festgesetzten Zolls. Sie trug vor: Sie habe irrtümlich bei der erstmaligen Durchführung des Verfahrens der aktiven Veredelung einen unzutreffenden Verfahrenscode verwendet. Die Waren seien jedoch tatsächlich wieder ausgeführt worden und deshalb nicht in den Wirtschaftskreislauf der Gemeinschaft gelangt.

8. Das beklagte Hauptzollamt wies den Einspruch gegen die Festsetzung des Zolls als unbegründet zurück. Der Senat wies die alsdann von der Klägerin erhobene Klage mit einem rechtskräftig gewordenen Urteil ab. Die Zollschuld sei nach Artikel 203 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex - ZK -) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. EG Nr. L 302/1) entstanden. Die Angabe des für die Ausfuhr von Gemeinschaftswaren vorgesehenen Verfahrenscodes 1000 oder 1041 anstatt des Verfahrenscodes 3151 habe zur Folge gehabt habe, dass den ins Ausland ausgeführten Veredelungserzeugnissen und dem nicht verarbeiteten AAA fälschlicherweise der zollrechtliche Statuts von Gemeinschaftswaren zuerkannt worden sei. Die von der Klägerin abgegebenen Ausfuhranmel...

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