Entscheidungsstichwort (Thema)
Möglichkeit eines Indizienbeweises für Zugang einer Einspruchsentscheidung zur Einkommenssteuerfestssetzung
Leitsatz (redaktionell)
- Der Nachweis des Zugangs einer mit einfachem Brief übersandten Einspruchsentscheidung am dritten Tag nach Aufgabe zur Post kann auf Indizien gestützt werden.
- Dieser Indizienbeweis ist geführt, wenn der Stpfl. die gleichzeitige Mitteilung über die Beendigung der Aussetzung der Vollziehung und die nachfolgende Festsetzung von Aussetzungs- und Hinterziehungszinsen unwidersprochen hinnimmt, ohne auf die Nichtbekanntgabe der Einspruchsentscheidung hinzuweisen.
- Dass ein solcher Hinweis an das Finanzamt erfolgt ist, muss der Stpfl. glaubhaft machen.
Normenkette
AO § 122 Abs. 2; FGO § 47 Abs. 1, § 96 Abs. 1 S. 1
Streitjahr(e)
1987, 1989, 1990, 1991, 1992, 1993, 1994, 1995, 1998
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Zugang einer Einspruchsentscheidung sowie über die Rechtmäßigkeit von Steuerbescheiden.
Im Anschluss an eine Fahndungsprüfung des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A erließ der Beklagte (das Finanzamt FA ) gegenüber der Klägerin und ihrem Ehemann u.a. geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1987 - 1995 und 1998.
Die Einsprüche wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 12.05.2005 als unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidung war an den damaligen und jetzigen Bevollmächtigten der Klägerin adressiert. Laut „Verfügung zur Einspruchsentscheidung” ist die Einspruchsentscheidung dem Vertreter am 12.05.2005 mit einfachem Brief übersandt worden.
Ebenfalls am 12.05.2005 wurde der Klägerin und ihrem Ehemann unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung vom gleichen Tage die Beendigung der Aussetzung der Vollziehung mitgeteilt. Am 21.07.2005 erließ das FA – wiederum unter Hinweis auf die Einspruchsentscheidung vom 12.05.2005 – einen Bescheid über Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer für die Streitjahre. Ferner ergingen am 02.09.2005 insgesamt drei Bescheide über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer betreffend die Eheleute und zur Umsatzsteuer betreffend die Klägerin bzw. den Kläger. Laut Postaufgabevermerken sind die Schreiben am gleichen Tag zur Post gegeben worden. Sämtliche Schreiben waren an den jetzigen Bevollmächtigten der Klägerin adressiert.
Anlässlich von Vollstreckungsmaßnahmen suchte die Klägerin am 10.11.2006 das FA auf. Dort wurde ihr am 16.11.2006 eine Kopie der Einspruchsentscheidung vom 12.05.2005 ausgehändigt.
Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Klage geltend, im Zusammenhang mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen habe sie sich am 10.11.2006 zum FA begeben und dort erstmals erfahren, dass eine Einspruchsentscheidung ergangen sei. Da ihr erst zu diesem Zeitpunkt eine Kopie der Einspruchsentscheidung vom 12.05.2005 ausgehändigt worden sei, sei die Klagefrist eingehalten. Der Bevollmächtigte habe die Einspruchsentscheidung vom 12.05.2005 nicht erhalten. Dieser habe im Übrigen im Rahmen einer Vollstreckungsmaßnahme dem FA schon einmal mit Schreiben vom 04.10.2005 mitgeteilt, dass eine Einspruchsentscheidung nicht vorliege und um Überprüfung gebeten. Auch danach sei eine Einspruchsentscheidung nicht zugegangen. Der Steuerfestsetzung lägen geschätzte Einkünfte aus einem gewerblichen Gebrauchtwarenhandel zugrunde. Diesen Handel habe allein ihr Ehemann geführt. Ihr seien die geschätzten Gewinne zu Unrecht hälftig zugerechnet worden. Die Schätzung sei zudem überhöht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 20.11.2006 und 05.01.2007 verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
die geänderten Einkommensteuerbescheide 1987 - 1995 und 1998 vom 01.10. und 02.10.2002 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt das FA aus, es sei zweifelhaft, ob die Klägerin tatsächlich erst am 10.11.2006 von der Einspruchsentscheidung vom 12.05.2005 erfahren habe. Nach Ergehen der Einspruchsentscheidung seien dem Bevollmächtigten noch der Bescheid betreffend Aussetzungszinsen sowie drei Bescheide über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen für die Streitjahre zugegangen. Sofern dem Bevollmächtigten zu diesem Zeitpunkt die Einspruchsentscheidung tatsächlich noch nicht bekannt gewesen sei, hätte dieser allen Anlass gehabt, auf die nicht vorliegende Einspruchsentscheidung hinzuweisen. Dass dies nicht geschehen sei, lasse den Schluss zu, dass der Bevollmächtigte die Einspruchsentscheidung tatsächlich erhalten habe. Ein Schreiben vom 04.10.2005, in dem auf die fehlende Einspruchsentscheidung hingewiesen worden sein solle, liege nicht vor. Unabhängig davon sei es im Rahmen der durchgeführten Zusammenveranlagung der Klägerin mit ihrem Ehemann unbeachtlich, wem die strittigen Einkünfte zugerechnet worden seien.
Das Gericht hat die Steuerakten des FA zum Verfahren beigezogen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unzulässig.
Die Klage ist nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist von einem Monat nach Bekanntgabe d...