Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit der Ablehnung eines Verzichts auf Aussetzungszinsen zur Grunderwerbsteuer
Leitsatz (redaktionell)
- Der Verzicht auf die Erhebung von Aussetzungszinsen zur Grunderwerbsteuer wegen der Möglichkeit einer Verrechnungsstundung mit Lohnsteuererstattungsansprüchen kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn bis zum Ende des Zinslaufs der Anspruch auf Erteilung berichtigter Lohnsteuerbescheinigungen zivilrechtlich nicht geklärt ist und keine Abtretungserklärung vorliegt.
- Offen bleibt, ob eine Verrechnungsstundungssituation überhaupt einen Verzicht auf Aussetzungszinsen rechtfertigt, wenn die Erstattungsansprüche ihrerseits nach § 233a AO verzinst werden.
- Der Einwand, die Finanzverwaltung habe während des Zinszeitraums Lohnsteuerabzugsbeträge des Ehegatten zu Unrecht einbehalten, begründet keinen sachlichen Billigkeitsgrund für einen Verzicht auf Aussetzungszinsen, sondern ist im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung zu würdigen.
Normenkette
AO §§ 233a, 234 Abs. 2, § 237 Abs. 4; FGO § 102
Streitjahr(e)
1994, 1995, 1996
Tatbestand
Die Klägerin erwarb im Jahre 1982 Grundeigentum. Hierfür beantragte sie am 22.03.1982 Befreiung von der Grunderwerbsteuer. Nachdem der Beklagte festgestellt hatte, dass die Voraussetzungen des Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau – GrEStWoBauG – nicht erfüllt waren, setzte er mit Bescheid vom 11.05.1988 Grunderwerbsteuer (17.063 DM) einschließlich eines Zuschlages (7.165 DM) gemäß § 3 Abs. 5 dieses Gesetzes in Höhe von insgesamt 24.228 DM fest. Dieser Betrag war bis zum 14.06.1988 zu zahlen.
Hiergegen erhob die Klägerin Einspruch. Außerdem beantragte sie am 12.06.1988 Aussetzung der Vollziehung des Bescheides, welche der Beklagte mit Verfügung vom 30.06.1988 gewährte. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 13.01.1989).
Mit der Klage verfolgte die Klägerin zunächst ihr Begehren vor dem Finanzgericht – FG – Düsseldorf (Az.: 3 K 23/89 GE) weiter. In der mündlichen Verhandlung am 30.11.1993 nahm sie die Klage zurück. Daraufhin wurde mit Beschluss vom 30.11.1993 das Verfahren eingestellt.
Während des Klageverfahrens hatte der Beklagte auf Antrag vom 01.02.1989 die Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheides bis einen Monat nach Bekanntgabe einer Entscheidung über die Klage vor dem FG ausgesetzt (Verfügung vom 10.02.1989). Sämtliche Aussetzungsverfügungen enthielten den Hinweis auf die Zinspflicht nach § 237 Abgabenordnung – AO –. Nach Klagerücknahme beendete der Beklagte die Aussetzung der Vollziehung und forderte die Klägerin zur Zahlung der Grunderwerbsteuer einschließlich des Zuschlages bis zum 07.01.1994 auf (Verfügung vom 02.12.1993).
Mit Bescheid vom 18.01.1994 setzte der Beklagte Aussetzungszinsen zur Grunderwerbsteuer von abgerundet 17.000 DM für die Dauer von 66 Monaten (14.06.1988 bis 14.12.1993) in Höhe von 5.610 DM fest. Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 24.01.1994, eingegangen am 21.01.1994, Einspruch ein. Dieser blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 09.06.1995).
Die Klägerin hatte sich im Einspruchsschreiben vom 24.01.1994 gegen die Zinsfestsetzung mit der Begründung gewandt, Aussetzungszinsen entfielen, weil das Betriebstättenfinanzamt „A” in den Jahren 1989 bis Ende 1993 Lohnsteuer ihres Ehemannes für 1989 und 1990 von ca. 128.000 DM zu Unrecht einbehalten und nunmehr zurückgezahlt habe. Für 1989 und 1990 würden erhebliche Einkommensteuererstattungsansprüche entstehen. Tatsächlich setzte das Wohnsitzfinanzamt „B” mit Bescheiden vom 24.11.1994 die Einkommensteuer 1989 und 1990 herab, nachdem die Klägerin und ihr Ehemann – nach Abschluss eines Zivilrechtsstreits mit dem Arbeitgeber im November 1993 – Lohnsteuerbescheinigungen über berichtigten Arbeitslohn einschließlich Lohnsteuer für 1989 und 1990 eingereicht hatten (Schreiben vom 26.08.1994 bzw. 03.09.1994). Außerdem setzte das Finanzamt „B” Erstattungszinsen nach § 233a AO von 2.881 DM (1989) bzw. 241 DM (1990) fest. Die geänderten Steuerfestsetzungen führten zu Einkommensteuererstattungsansprüchen für 1989 von 11.474,16 DM und für 1990 von 267,21 DM. Zuvor hatten die Klägerin und ihr Ehemann mit Schreiben vom 26.12.1993 (1989) und 26.08.1994 (1990) die Umbuchung dieser Beträge auf das beim Beklagten geführte Grunderwerbsteuerkonto beantragt.
Der Beklagte, der das Einspruchsschreiben vom 24.01.1994 auch als Antrag auf Erlass von Aussetzungszinsen ausgelegt hatte, lehnte mit Bescheid vom 09.05.1995 – ohne Rechtsbehelfsbelehrung – einen solchen Verzicht ab.
Der hiergegen am 30.06.1995 erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 25.04.1996). Der Beklagte war der Auffassung, ein Zinsverzicht sei geboten, wenn eine Aufrechnung zulässig sei. Diese Voraussetzung sei nicht gegeben. Anspruch und Gegenanspruch müssten zwischen denselben Personen bestehen; Schuldner des einen Anspruchs müsse Gläubiger des anderen Anspruchs sein. Im Streitfall sei eine solche Gegenseitigkeit nicht gegeben. Während dem Beklagten...