Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwertung von Sicherungsgut im Insolvenzverfahren – Übergang der Steuerschuld auf den Sicherungsnehmer nach § 13b UStG
Leitsatz (redaktionell)
- Auch bei Herausgabe von Sicherungsgut an den Sicherungsnehmer vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt eine Lieferung der Gemeinschuldnerin an den Sicherungsnehmer und die Weiterlieferung an den erwerbenden Dritten erst zu dem Zeitpunkt, zu dem Sicherungsnehmer die sicherungsübereigneten Gegenstände verwertet.
- Liegt dieser Zeitpunkt nach der Insolvenzeröffnung, erfolgt die Lieferung nicht „außerhalb des Insolvenzverfahrens” i. S. d. § 13b UStG, so dass ein Übergang der Steuerschuld auf den Sicherungsnehmer ausscheidet.
- Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit hindert den Erlass eines Steuerbescheides gegen den Insolvenzverwalter nicht.
Normenkette
UStG § 13b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1; InsO § 170 Abs. 2, § 173 Abs. 1-2, § 208
Streitjahr(e)
2005
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Reichweite von § 13b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Umsatzsteuergesetz – UStG –.
Der Kläger ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Firma Autohaus A. GmbH Co. KG.
Für die Insolvenzschuldnerin war am 31.01.2003 wegen Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt worden. Mit Beschluss vom 22.01.2003 bestellte das Amtsgericht A-Stadt den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Mit Beschluss vom 01.03.2003 wurde schließlich das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Bereits am 09.01.2003 und damit vor Insolvenzantrag hatte die A-Bank alle ihr sicherungsübereigneten und von der Insolvenzschuldnerin noch nicht bezahlten Kraftfahrzeuge abholen lassen und in Besitz genommen. Lt. Verwertungsgutschrift vom 04.06.2003 (vgl. Bl. 22 der Gerichtsakte – GA –) verkaufte die A-Bank am 27.05.2003 14 Vorführ- und 9 Gebrauchtfahrzeuge zu einem Nettoerlös von 188.681,03 EUR zzgl. 30.188,97 EUR Umsatzsteuer.
Anlässlich einer Umsatzsteuersonderprüfung vertrat die Prüferin die Auffassung, die bislang nicht angesetzten Umsätze aus der Verwertung des Sicherungsgutes seien im Rahmen der Umsatzsteuerfestsetzung 2003 des Klägers zu berücksichtigen. Mit der Verwertung durch die A-Bank komme es zu einem Doppelumsatz, da der Sicherungsnehmer durch die Verwertung des Sicherungsgutes eine Lieferung an seine Abnehmer und gleichzeitig der Insolvenzverwalter eine Lieferung an den Sicherungsnehmer (A-Bank) bewirkt habe. Entgegen der Auffassung des Klägers finde ein Übergang der Steuerschuld auf den Sicherungsnehmer nach § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 UStG nicht statt, da diese Vorschrift nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht auf Lieferungen des Sicherungsgebers im Insolvenzverfahren anzuwenden sei. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Prüfungsbericht vom 05.09.2005 Bezug genommen.
Der Beklagte folgte der Auffassung der Prüferin und erließ unter dem 23.09.2005 einen entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheid 2003, mit dem die Umsatzsteuer um 30.188,96 EUR erhöht wurde. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren (vgl. Einspruchsentscheidung vom 25.01.2006) hat der Kläger Klage erhoben.
Der Kläger ist der Auffassung, der Bescheid vom 23.09.2005 richte sich gegen den falschen Adressaten. Steuerschuldnerin sei nach § 13b UStG allein die A-Bank geworden. Zu beachten sei, dass mit der seit dem 01.01.2002 geltenden Bestimmung des § 13b Abs. 1 Nr. 2 UStG ein Systemwechsel stattgefunden habe. Im Gegensatz zu der bis dahin geltenden Bestimmung des § 51 Abs. 1 Nr. 2 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung – UStDV –, nach der der Sicherungsnehmer für den Sicherungsgeber dessen Steuerschuld zu begleichen gehabt habe, werde nunmehr durch § 13b Abs. 2 Satz 1 UStG bei einer Lieferung sicherungsübereigneter Gegenstände an den Sicherungsnehmer letzterer (als Leistungsempfänger) der einzige originäre Steuerschuldner. Entgegen der Auffassung des Beklagten erfasse § 13b Abs. 1 Nr. 2 UStG auch Verwertungsvorgänge, die zeitlich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens lägen. Für das Tatbestandsmerkmal „außerhalb des Insolvenzverfahrens” sei die bloße Zeitachse ein untaugliches Zuordnungskriterium. Wo der Sicherungsgläubiger bereits „vorinsolvenzlich” vom Schuldner Absonderung beweglicher Sachen verlange und berechtigterweise durchsetze, habe der Insolvenzverwalter sein Verwertungsrecht verloren; er könne hier in den eigentlichen Verwertungsvorgang nicht mehr eingreifen. Der Sonderrechtsgläubiger (hier: die A-Bank), der durch sein vorinsolvenzliches Herausgabeverlangen eine Lage bewirke, in der weder Schuldner noch Insolvenzverwalter jemals in den Verwertungsvorgang erneut eingreifen dürften, mache von Anbeginn, d.h. bereits vor Beginn des Insolvenzverfahrens, ununterbrochen und durchlaufend bis zum Endabsatz von seinem Verwertungsrecht Gebrauch. Damit vollziehe sich die abgesonderte Befriedigung zwar ggf. während, in ihrem eigentlich materiell-rechtlichen Gehalt aber zwangsläufig „außerhalb” des Verf...