Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer: Unternehmereigenschaft des Vorstandsmitglieds einer öffentlich-rechtlich organisierten Berufskammer
Leitsatz (amtlich)
Das Vorstandsmitglied einer öffentlich-rechtlich organisierten Berufskammer ist nicht selbständig im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL für die Kammer tätig und damit kein Unternehmer, wenn er nicht im eigenen Namen und auf eigene Rechnung tätig wird und kein Vergütungsrisiko trägt.
Normenkette
UStG §§ 1-2, 4 Nr. 26 Buchst. a; MwStSystRL Art. 9-10
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger für die A umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbracht hat.
Der Kläger ist in Hamburg als ... in eigener Praxis tätig. Im Streitzeitraum 2010 bis 2014 war er Beisitzer im Vorstand der A, in den Streitjahren 2015 und 2016 war er Vizepräsident der Kammer. Daneben engagierte sich der Kläger in allen Streitjahren zusätzlich als Obmann einer Bezirksgruppe der A.
Die A ist nach § 1 Nr. 2 des Hamburgischen Kammergesetzes für die Heilberufe (HmbKGH) eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Organe die Delegiertenversammlung und der Vorstand sind (§ 13 Abs. 1 HmbKGH). In dem Anfang 2019 in Kraft getretenen § 13 Abs. 3 HmbKGH ist bestimmt, dass die Tätigkeit in den Organen sowie weiteren Gremien der Kammer ehrenamtlich ausgeübt wird. Das Gesetz enthielt vorher keine Regelungen zur Ehrenamtlichkeit.
Die Delegiertenversammlung beschließt über alle Angelegenheiten der Kammer von grundsätzlicher Bedeutung, soweit sie sich nicht nur auf die laufende Geschäftsführung beziehen, sie wählt insbesondere den Vorstand (§ 19 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 HmbKGH) und setzt die Aufwandsentschädigungen sowie die Sitzungs- und Reisekostenordnung fest (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 der Satzung der A; im Folgenden: Satzung). Der Vorstand führt gemäß § 23 HmbKGH die Geschäfte der Kammer, soweit nicht Gesetz oder Satzung anderes bestimmen; insbesondere bereitet er die Beratungen der Delegiertenversammlung vor und setzt deren Beschlüsse um. Das Nähere regeln gemäß § 23 Satz 3 HmbKGH die Hauptsatzung und die Geschäftsordnung des Vorstandes. Der Vorstand besteht aus einem Vorsitzenden (Präsidentin oder Präsident), seiner ständigen Vertretung (Vizepräsidentin oder Vizepräsident) und drei Beisitzern (§ 5 Abs. 1 der Satzung). Der Vorsitzende und seine ständige Vertretung werden von der Delegiertenversammlung gewählt (§ 5 Abs. 4 der Satzung). Die Präsidentin oder der Präsident vertritt die Kammer nach außen. Sie oder er beruft die Sitzungen der Delegiertenversammlung sowie des Vorstandes ein und leitet sie (§ 24 HmbKGH). Beschlüsse des Vorstandes werden nach § 16 der Geschäftsordnung des Kammervorstandes (GO) mit einfacher Mehrheit der anwesenden Mitglieder gefasst. Die Kammer hatte in den Streitjahren einen Geschäftsführer, der in Vollzeit beschäftigt war und das operative Geschäft geleitet hat.
Bezirksobleute werden von den Versammlungen der Bezirksgruppen der A gewählt, leiten diese Gruppen, führen deren Geschäfte und haben die A bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen sowie weitere Aufgaben durchzuführen, die ihnen von der A im Rahmen ihres Aufgabenbereichs übertragen werden (§ 9 Abs. 1 der Satzung). Der Obmann ist im Übrigen Vermittler zwischen der Bezirksgruppe und der Delegiertenversammlung (§ 9 Abs. 2 Satz 1 der Satzung). Er leitet die Sitzungen der Bezirksgruppenversammlungen und ist an deren Beschlüsse nicht gebunden; er ist allerdings verpflichtet, die Beschlüsse der Delegiertenversammlung bzw. dem Kammervorstand vorzutragen (§ 22 der Geschäftsordnung der Bezirksgruppenversammlung). In die Satzung der Kammer wurde mit Wirkung ab dem 1. September 2017 ein neuer § 10 eingeführt. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung wird die Tätigkeit in der Delegiertenversammlung, im Vorstand und in den Ausschüssen ehrenamtlich ausgeübt.
Der Kläger erhielt in den Streitjahren für seine Tätigkeit als Bezirksobmann von der A ... € monatlich, als Beisitzer im Vorstand von Januar 2010 bis Juni 2011 Zahlungen von monatlich ... € und von Juli 2011 bis Januar 2015 in Höhe von monatlich ... €. Als Vizepräsident erhielt der Kläger von der Kammer von Februar 2015 bis Dezember 2016 monatlich ... €. Daneben bezog er von der Kammer Sitzungsgelder sowie Reisekostenerstattungen. Die Zahlungen summierten sich in den Streitjahren wie folgt:
...
Der Kläger sah diese Zahlungen als umsatzsteuerfrei nach§ 4 Nr. 26 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) an, weil sie für die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit für eine juristische Person des öffentlichen Rechts erfolgt seien. Er gab für die Streitjahre 2010 bis 2016 keine Umsatzsteuererklärungen ab.
Der Beklagte führte von November 2016 bis Oktober 2017 eine Außenprüfung beim Kläger durch. Prüfungsgegenstand war unter anderem die Umsatzsteuer 2013 bis 2015. In ihrem Prüfungsbericht vom 17. Oktober 2017 kam die Prüferin des Beklagten zu der Auffassung, dass die vom Kläger von der A bezogenen Vergütungen nicht nach § 4 Abs. 26 UStG umsatzsteuerfrei seien. Es li...