Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestandskräftige Ablehnung eines Steuer-Billigkeitserlasses / Schonvermögen angemessenes Hausgrundstück
Leitsatz (amtlich)
1. Nach bestandskräftiger oder unanfechtbarer Vorentscheidung ist die Klage ohne weitere Sachprüfung abzuweisen; im Finanzprozess kommt es (anders als u. U. im VwGO-Prozess) nicht darauf an, ob nach Bestandskraft unnötigerweise in der angefochtenen letzten Einspruchsentscheidung nochmals in eine Sachprüfung eingetreten wurde.
2. Entsprechendes gilt bei erneut begehrtem Steuer-Billigkeitserlass nach bestandskräftiger Steuerfestsetzung und nach bestandskräftiger Ablehnung des Billigkeitserlasses für denselben Streitzeitraum; zumindest dann, wenn der neue Antrag nur bereits im vorangegangenen Billigkeitsverfahren geltend gemachte Gründe oder entschiedene Gesichtspunkte betrifft.
3. Ob ein selbstgenutztes Hausgrundstück zumutbar zu verwerten oder Schonvermögen ist, richtet sich für das steuerliche Billigkeitsverfahren weiter nach der sozialrechtlichen Abgrenzung gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II und § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII wie vor 2002 nach § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG i. V. m. §§ 39, 82 II. WoBauG.
4. Angemessen sind danach für 4 Personen im Einfamilienhaus Wohnflächen bis 130 qm oder in einer Eigentumswohnung bis 120 qm, für jede weitere Person jeweils zuzüglich 20 qm; für jede Person weniger jeweils abzüglich 20 qm bis zur Untergrenze von 90 bzw. 80 qm.
5. Grundstücksflächen können im städtischen Bereich für ein freistehendes Einfamilienhaus bis 500 qm angemessen sein; Vergleichspreise im unteren Bereich können anhand des städtischen Immobilienmarktberichts abgegrenzt werden.
6. Bei der Anforderung von Gerichtsakten sind Steuergeheimnis bzw. Datenschutz vom anfordernden Spruchkörper zu prüfen und dürfen die Akten nicht von der Verwaltung zurückgehalten werden.
Normenkette
AO §§ 5, 227, 367; BSHG § 88; FGO §§ 101-102; SGB II § 12 Abs. 3 Nr. 4; SGB XII § 90 Abs. 2 Nr. 8; VwGO § 70; 2. WoBauG §§ 39, 82
Tatbestand
A.
Der Kläger begehrt erneut den Billigkeitserlass der Grundsteuer (GrSt) auf sein selbstgenutztes Hausgrundstück aus persönlichen bzw. wirtschaftlichen Billigkeitsgründen, nachdem ein vorheriger Antrag bereits bestandskräftig abgelehnt wurde.
I. Sachstand bis Antragstellung für den Streitzeitraum
1. Der in 19... geborene Kläger erwarb 199... das Hausgrundstück in A mit 1.590 qm für 510.000 DM (EW-A Bl. 1). Er bebaute es 19.../19... mit einem freistehenden eingeschossigen Einfamilienhaus mit 211 qm Gebäudefläche, 177 qm Wohnfläche sowie einer Doppelgarage im Keller (Einheitswert- und Grundsteuer-Akte {EW-A} Bl. 3, 6, 11 ff.; Einheitswert-Feststellungserklärung, EW-A Bl. 14 ff.; Einheitswertbescheid vom 12.11.1998 auf den 01.01.1999, EW-A Bl. 21; Google Street View EW-A Bl. ...; Geo-Online X).
Für das Grundstück waren bereits vom 18. Juni bis 21. August 2002 und vom 18. August 2004 bis 21. August 2002 Zwangsversteigerungs-Anordnungen des Amtsgerichts eingetragen (vgl. weiter aktuell unten III 1 a; Grundbuch-Auszug Finanzgerichts-Akte {FG-A} Bl. ..., ...). Zwangsversteigerungs-Akten liegen dem Finanzgericht (FG) nicht vor.
2. Im Februar 2001 beantragte der Kläger wegen angespannter finanzieller Situation für die GrSt, Hundesteuer und andere Abgaben Stundung, die ihm für die GrSt des I. Quartals gewährt wurde (EW-A Bl. 26 ff.).
3. Nach einem seit 2001 von einer Zusatzversorgungskasse der Baubranche gegen den Kläger beim Arbeitsgericht B geführten Prozess beantragte der Kläger im März 2003 den dortigen Erlass von Gerichtskosten; dazu erklärte er sich im Februar 2004 für überschuldet und bezog er sich auf Angaben des für seinen Wohnsitz zuständigen Obergerichtsvollziehers. Daraufhin wurden ihm die Gerichtskosten am 18. März 2004 erlassen (EW-A Bl. 41).
4. Auf Säumniszuschläge für GrSt-Quartalsbeträge 2002 - 2004 beim beklagten FA wurden am ... 2004 Eigenheimzulage-Teilbeträge umgebucht. Gegen die Umbuchung wandte sich der Kläger mittels Einspruch, den er nicht begründete (EW-A Bl. 32 ff.).
Unter dem 24. März 2004 wies das beklagte FA auf die Aufrechnungsbefugnis nach § 240 AO hin, behandelte es den Einspruch als Antrag auf Billigkeitserlass der Säumniszuschläge und lehnte es diesen unter Hinweis auf § 240 AO ab (EW-A Bl. 38 ff.).
5. Am 29. März 2004 beantragte der Kläger unter Beifügung des Bescheids über den Gerichtskostenerlass in B nochmals beim FA Erlass und sofortige Auszahlung der verrechneten Säumniszuschläge. Die Familie mit zwei Kindern im Haushalt und einem weiteren minderjährigen unterhaltsberechtigten Kind sei auf die Zahlung dringend angewiesen, und zwar wegen der Zinsen und Abträge auf das Eigenheim und für neue Bekleidung der Kinder (EW-A Bl. 40 f.).
Im April 2004 wurden in Abstimmung mit dem Wohnsitz-FA Säumniszuschläge bis einschließlich 1. Quartal 2004 antragsgemäß erlassen und im Umfang der vorherigen Verrechnung erstattet (EW-A Bl. 42 ff.).
6. Am ... 2005 gab der Kläger bei dem für ihn zuständigen Obergerichtsvollzieher die eidesstattliche (Offenbarungs-)Versich...