rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug bei umsatzsteuerpflichtiger Vermietung in den Niederlanden; Schätzung der nichtabzugsfähigen Vorsteuer nach den Anschaffungskosten
Leitsatz (amtlich)
1. Vermietungsumsätze eines inländischen Unternehmers an einen im Beitrittsgebiet umsatzsteuerpflichtigen Unternehmer berechtigen im Inland zum Abzug der auf Eingangsumsätzen lastenden inländischen Vorsteuer wenn der inländische Unternehmer in dem anderen Staat auf die Steuerfreiheit verzichtet hat.
2. Abschnitt 205 Abs. 1 UStR über die Nichtanwendbarkeit von § 9 Abs. 1 iVm § 15 Abs. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG verstößt insoweit gegen das mehrwertsteuerliche Neutralitätsgebot des Gemeinschaftsrechts, als hierunter Sachverhalte fallen, in denen der Steuerpflichtige im Staat der Leistungserbringung von einem auch dort bestehenden Optionsrecht Gebrauch gemacht hat.
3. Bei einer in beiden Staaten bestehenden Möglichkeit des Verzichts auf Steuerbefreiung kann die Ausübung der Option mit Wirkung für beide Staaten auch bereits durch die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs im Staat der Eingangsumsätze erfolgen.
4. Die Schätzung von nicht abziehbaren Vorsteuerbeträgen nach § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG entsprechend dem Verhältnis der Anschaffungskosten von umsatzsteuerfrei bzw. umsatzsteuerpflichtig vermieteten Immobilien ist sachgerecht.
Normenkette
UStG § 9 Abs. 1-2, § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Abs. 4 S. 2; 6. EG-RL Art. 17 Abs. 3 Buchst. a; UStR Abschn. 205 Abs. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Abzugsfähigkeit von Vorsteuern auf inländische Eingangsleistungen, soweit sie von der Klägerin zur Vorbereitung und Durchführung von in den Niederlanden umsatzsteuerpflichtigen Ausgangsumsätzen aus Vermietung verwendet wurden.
Die Klägerin ist eine von sechs Immobiliengesellschaften, deren Anteile jeweils zu 100 % von der ... (i.F.: Fonds KG) gehalten werden. An der Fonds KG sind eine Vielzahl Kapitalanleger direkt als Kommanditist oder als Treugeber über eine Treuhandkommanditistin beteiligt.
Gegenstand der Klägerin ist nach § 2 ihres Gesellschaftsvertrages der Erwerb, die Vermietung und Verwaltung von Immobilien in den Niederlanden, insbesondere eines Bürogebäudes in A sowie eines Bürogebäudes in B.
Entsprechend erwarb die Klägerin wirtschaftliches Eigentum an dem Bürohaus X-Laan in A zum Kaufpreis von NLG 9.600.000 (ohne Umsatzsteuer) sowie an dem Bürogebäude "...", Y-Skade in B zum Kaufpreis von netto NLG 27.992.500 zzgl. Umsatzsteuer.
Die Immobilie A ist seit Dezember 1996 komplett an eine niederländische Versicherungsgesellschaft vermietet. Da Leistungen von Versicherungen in den Niederlanden von der Umsatzsteuer befreit sind, erfolgt die Vermietung der Immobilie ohne Umsatzsteuer.
Die Immobilie B ist nach Fertigstellung seit Ende Februar/ Anfang März 1998 komplett an ein niederländisches Unternehmen der Telekommunikationsbranche vermietet. Der Mietvertrag wurde bereits vor Beginn der Erstellung des Gebäudes abgeschlossen. Vermieter und Mieter machten die Bemessung des Mietpreises vertraglich davon abhängig, dass der Mieter dauerhaft den Kriterien genügt, die für eine mit Umsatzsteuer belastete Vermietung nach dem niederländischen Umsatzsteuergesetz gelten. Gegenüber den niederländischen Steuerbehörden verzichtete die Klägerin - analog der Möglichkeit des deutschen Umsatzsteuergesetz (i.F.: UStG) - auf die in den Niederlanden bestehende Steuerfreiheit für Vermietungseinkünfte und behandelte die Umsätze als steuerpflichtig. Die Vermietung erfolgt entsprechend unter Ausweis niederländischer Umsatzsteuer. Die in den Niederlanden auf dortige Eingangsleistungen (Verwalterkosten) für die Vermietung der Immobilie B entrichtete Umsatzsteuer wird der Klägerin im Rahmen des dortigen Besteuerungsverfahrens als Vorsteuer erstattet.
Die Geschäftstätigkeit der Klägerin beschränkt sich auf die Vermietung der beiden genannten Objekte in den Niederlanden. Sie führt in Deutschland keine (umsatzsteuerbaren) Leistungen aus.
Mit der Umsatzsteuervoranmeldung 1997 machte die Klägerin inländische Vorsteuern geltend, die ihr von inländischen Unternehmern im wesentlichen für die Konzeptionierung der Gesellschaftstätigkeit der Klägerin und deren Gründung sowie laufende Steuerberatung in Rechnung gestellt wurden (Konzeption, Beratung, Marketing, Notargebühren). Geltend gemacht wurde die Vorsteuer lediglich in dem Umfang, in dem sie anteilig auf die der niederländischen Umsatzsteuer unterliegende Vermietung der Immobilie B entfielen. Als Aufteilungsschlüssel diente das Verhältnis der (Netto)Anschaffungskosten der Immobilien A und B.
Mit Umsatzsteuerbescheid vom 22. Juli 1998 wurde der Umsatzsteuervoranmeldung zunächst zugestimmt und das sich ergebende Vorsteuerguthaben in voller Höhe an die Klägerin erstattet. Im Rahmen einer nachfolgenden Umsatzsteuersonderprüfung gelangte die Betriebsprüfungsstelle des Beklagten zu dem Ergebnis, dass ein Abzug der inländischen Vorsteuer nach Abschnitt 205 Abs. 1 Sätze 4 und 5 UStR nicht zulässig sei. Danach trete der...