Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Kindergeldberechtigung eines Ausländers, der Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II bezogen hat
Leitsatz (redaktionell)
1) Ein Ausländer, der sich zwar mehr als drei Jahre rechtmäßig in Deutschland aufhält, aber Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II bezogen hat, erfüllt nicht die Voraussetzungen von § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG und hat deshalb keinen Anspruch auf Kindergeld. Denn diese Leistungen sind nicht beitragsfinanziert, sondern beruhen auf Steuermitteln.
2) § 62 Abs. 2 EStG ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
Normenkette
EStG § 62 Abs. 2 Nr. 3
Tatbestand
Die Klägerin, eine somalische Staatsangehörige, reiste am 29.11.1997 nach Deutschland ein. Ihr Asylantrag wurde durch Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 20.02.1998 abgelehnt.
Seit dem 23.09.1999 ist die Klägerin im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis, die zuletzt bis zum 07.10.2005 befristet war. Eine Arbeitsaufnahme war danach nur mit gültiger Arbeitserlaubnis gestattet. Am 04.10.2006 erhielt die Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG).
In der Zeit von April 2002 vom September 2002 arbeitete die Klägerin stundenweise als Zimmermädchen. Nachdem im November 2002 der Sohn J geboren worden war, bezog sie anschließend bis zum 31.01.2006 Sozialhilfe bzw. Arbeitslosengeld II. Seit dem 01.02.2007 arbeitet die Klägerin wieder als Zimmermädchen.
Am 09.01.2003 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Kindergeldantrag.
Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 28.01.2003 wurde der Antrag abgelehnt. Das Einspruchsverfahren verlief erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 07.05.2003).
Am 09.05.2003 meldete die Stadt C einen Erstattungsanspruch gemäß § 74 Einkommensteuergesetz (EStG) bei der Beklagten an.
Am 04.09.2006 stellte die Klägerin einen neuen Kindergeldantrag. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 07.09.2006 abgelehnt.
Die Klägerin hat am 23.05.2003 Klage erhoben.
Die Klägerin stellt eine kurzfristige Beendigung des Rechtsstreits in Aussicht, wenn die Beklagte sich verpflichte, rückwirkend ab Februar 2007 und sodann fortlaufend Kindergeld zu zahlen. Der Rechtsstreit könne dann als erledigt angesehen werden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 28.01.2003 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 07.05.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr für den Zeitraum November 2002 bis August 2006 Kindergeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, dass der angefochtene Bescheid rechtmäßig sei. Zwar entspreche die der Klägerin erteilte Aufenthaltsbefugnis einem Titel nach § 25 Abs. 3 AufenthG. Die Klägerin habe jedoch im streitgegenständigen Zeitraum nicht die weiteren Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b) EStG erfüllt, da sie nicht erwerbstätig gewesen sei. Der Klägerin werde anheim gestellt, für die Zeit ab Februar 2007 einen erneuten Kindergeldantrag zu stellen.
Der Senat hat die Ausländerakte beigezogen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
I. Gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 1 EStG in der Fassung des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13.12.2006 – AuslAnsprG – (Bundesgesetzblatt – BGBl – I 2006, 2915, Bundessteuerblatt – BStBl – I 2007, 62) erhält ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer Kindergeld, wenn er über eine Niederlassungserlaubnis verfügt. Auch aus einer Aufenthaltserlaubnis, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat, kann sich unter den Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG ein Anspruch auf Kindergeld ergeben. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG wegen eines Krieges im Heimatland oder nach den §§ 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG kann gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Nr. 2 Buchst. c EStG einen Kindergeldanspruch begründen, wenn sich der Ausländer seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt.
§ 62 Abs. 2 EStG in der Fassung des Gesetzes vom 13.12.2006 ist mit Wirkung vom 01.01.2006 in Kraft getreten und erfasst alle Sachverhalte, bei denen – wie im Streitfall – das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist (§ 52 Abs. 61a Satz 2 EStG).
Nach diesen Grundsätzen steht der Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum von November 2002 bis August 2006 kein Kindergeld zu. Zwar verfügte sie über einen Aufenthaltstitel, der grundsätzlich zum Bezug von Kindergeld berechtigte. Ein Anspruch auf Kindergeld ist aber deswegen ausgeschlossen, weil die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG nicht erfüllt sind.
1. Da § 62 Abs. 2 EStG in der Fassung des Gesetzes vom 13.12.2006 an die Aufenthaltstitel nach dem AufenthG vom 30.07.2004 (BGBl I 2004, 1950) anknüpft, das am 01.01.2005 das Ausländergesetz (AuslG) ...