Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsätzliche Steuerhinterziehung bei Nichterklärung von Kapitalerträgen aus einem Wertpapierdepot in der Schweiz
Leitsatz (redaktionell)
Die Annahme, ganz erhebliche Kapitaleinkünfte aus einem Schweizer Wertpapierdepot unterlägen nur dem Quellensteuerabzug in der Schweiz und seien in Deutschland steuerfrei und nicht einmal in der Steuererklärung anzugeben, ist schon angesichts des Umstandes, dass in den Erklärungsvordrucken ausdrücklich nach ausländischen Kapitalerträgen gefragt wird, realitätsfremd. In der Nichterklärung liegt eine zumindest bedingt vorsätzliche Steuerhinterziehung, die zu einer Verlängerung der Festsetzungsfrist auf 10 Jahre führt.
Normenkette
AO §§ 370, 169 Abs. 2 S. 2, § 170 Abs. 2 Nr. 1, §§ 90, 162 Abs. 2 S. 2; EStG 1990 § 20
Nachgehend
Tenor
1. Der Bescheid über Vermögensteuer-Neuveranlagung auf den 1.1.1990 vom 28. Dezember 2001 sowie die Zinsbescheide zur Vermögensteuer 1990, 1991 und 1992 vom 15. Januar 2002 und die hierzu erlassene Einspruchsentscheidung vom 3. März 2005 werden aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Änderungsbescheide zur Einkommensteuer 1990, 1992 bis 1993 und Vermögensteuer auf den 1.1.1993 sowie der Bescheid über Vermögensteuer-Neuveranlagung auf den 1.1.1990 noch innerhalb der Festsetzungsfrist erlassen worden sind.
Die Kläger sind die Gesamtrechtsnachfolger der am 2. August 2002 verstorbenen Frau S
Frau S wurde in den Streitjahren 1990, 1992 und 1993 mit ihrem Ehemann, dem am 1. September 1997 verstorbenen Herrn S, zusammen zur Einkommensteuer und zu den Hauptveranlagungszeitpunkten auf den 1.1.1989 und 1.1.1993 zusammen zur Vermögensteuer veranlagt. In den die Streitjahre betreffenden Einkommensteuererklärungen, die am 19. Februar 1991 für 1990, am 27. Dezember 1993 für 1992 und am 1. Juni 1995 für 1993 beim Beklagten (dem Finanzamt – FA –) eingingen, erklärten die Ehegatten S bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Wesentlichen nur die in- und ausländischen Erträge aus einem Wertpapierdepot bei der H-Bank. Das FA erfasste die erklärten Einkünfte aus Kapitalvermögen in den zum Teil mehrfach geänderten Einkommensteuerbescheiden 1990, 1992 und 1993. In den Vermögensteuererklärungen zu den Hauptveranlagungszeitpunkten 1.1.1989 und 1.1.1993, die am 7. April 1989 bzw. am 19. Januar 1996 beim FA eingingen, erklärten die Ehegatten S beim sonstigen Vermögen nur den jeweiligen Kurswert des Wertpapierdepots bei der H-Bank. Der Vermögensteuer-Bescheid auf den 1.1. 1989 wurde am 9. August 1989, der Vermögensteuer-Bescheid auf den 1.1. 1993 wurde am 13. Februar 1996 erlassen. Eine Aufforderung zur Abgabe einer Vermögensteuererklärung auf den 1.1.1990 erfolgte zunächst nicht.
Mit Schreiben vom 23. Februar 2001 meldete Frau S bislang nicht erklärte Kapitaleinkünfte und Vermögenswerte aus einem ihr gehörenden Wertpapierdepot in der Schweiz für die Jahre 1994 – 1998 nach. Mit Schreiben vom 13. November 2001 forderte das FA Frau S auf, u.a. berichtigte Einkommensteuererklärungen für 1990 bis 1993 sowie Vermögensteuererklärungen auf den 1.1.1990 bis 1.1.1993 einzureichen. Da Frau S dieser Aufforderung nicht nachkam, schätzte das FA die Einkünfte aus dem Wertpapierdepot in der Schweiz auf 90.000 DM in 1990, 100.000 DM in 1992 und 110.000 DM in 1993 und den Kurswert des sich in dem Depot befindlichen Kapitalvermögens auf 2,2 Mio. DM zum 1.1.1990, 1.1.1991 und 1.1.1992 sowie auf 3 Mio. DM zum 1.1.1993. Am 20. Dezember 2001 erließ das FA den nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid 1990 sowie den Bescheid auf den 1.1.1990 über Vermögensteuer-Neuveranlagung, mit dem die Vermögensteuer 1990 bis 1992 festgesetzt wurde. Am 30. April 2003 erließ das FA jeweils geänderte Einkommensteuerbescheide 1992 und 1993 und den geänderten Vermögensteuerbescheid auf den 1.1.1993. Die dagegen eingelegten Einsprüche, mit denen vorgebracht wurde, dass die Steuerfestsetzungen wegen eingetretener Festsetzungsverjährung unzulässig seien, weil der subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung nicht erfüllt sei, blieben ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 3. März 2005).
Dagegen richtet sich die Klage. Die Kläger tragen vor, die angefochtenen Steuerbescheide seien rechtswidrig, weil sie nach Ablauf der Festsetzungsfrist erlassen worden seien. Die vom FA angenommene Zehnjahresfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO sei nicht einschlägig, denn Vorsatz als subjektives Tatbestandsmerkmal der Steuerhinterziehung habe das FA nicht nachgewiesen. Der Gru...