Entscheidungsstichwort (Thema)
Einfüllen von Gurkenstücken in Gläser. Ende der landwirtschaftlichen Urproduktion. Konservierung eigener Erzeugnisse als landwirtschaftlicher Nebenbetrieb
Leitsatz (redaktionell)
1. Die landwirtschaftliche Urproduktion endet mit der Marktfähigkeit des Produkts. Ist für ein unvermeidlich anfallendes Urprodukt ausnahmsweise kein Markt vorhanden, ist die marktgerechte Aufbereitung (hier die Verarbeitung der beim Anbau von Essiggurken unvermeidlich anfallenden übergroßen Gurken zu Gurkenstücken in Gläsern) Teil der landwirtschaftlichen Urproduktion.
2. Die Konservierung eigener landwirtschaftlicher Erzeugnisse ohne wesentliche Veränderung ist landwirtschaftlicher Nebenbetrieb, wenn sie nicht in Konkurrenz zu gewerblichen Anbietern tritt.
Normenkette
EStG 1997 § 13 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 15 Abs. 2 S. 1
Tenor
1. Unter Änderung des Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 15.6.2001 und des Gewerbesteuermessbescheides vom 27.6.2001 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.11.2003, wird der Gewinn aus Gewerbebetrieb für 1998 um den Betrag niedriger festgestellt, der sich ergibt, wenn der Verrechnungsposten für … in Höhe von …. DM entfällt, der Gewerbesteuer Messbetrag für 1998 wird entsprechend festgesetzt. Die Berechnung wird dem Finanzamt übertragen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob das Einfüllen von Gurkenstücken in Gläser ein landwirtschaftlicher oder ein gewerblicher Verarbeitungsschritt ist.
Die Klägerin verarbeitet landwirtschaftliche Produkte, überwiegend Weißkraut, gewerblich weiter. Gesellschafter der Klägerin sind die Ehegatten X, die in Gütergemeinschaft einen landwirtschaftlichen Betrieb (GbR) … bewirtschaften …. Die GbR erzeugt unter anderem Gurken für die Herstellung von Essiggurken. Mit diesen erzielte sie im Streitjahr einen Umsatz von …DM. Aufgrund der Witterungs- und Erntebedingungen wachsen auch übergroße Gurken heran, die nicht im Ganzen haltbar gemacht werden können. Diese wurden früher überwiegend vernichtet. Ab etwa 1985 versuchte die bayerische Sauerkonservenindustrie diese Gurken zu Gurken-Sticks zu verarbeiten. Hierzu müssen die aussortierten Gurken gewaschen, gekappt und geviertelt und in einer bestimmten Anordnung in Gläser gesteckt werden. Es werden Gewürze und Sud hinzugefügt. Die Gläser werden dann verschlossen und pasteurisiert. Diese Weiterverarbeitung der übergroßen Essiggurken hat die Industrie nach wenigen Jahren aus verschiedenen Gründen wieder eingestellt.
Der Geschäftsführer der GbR und der Inhaber der Sauerkonservenfabrik A entwickelten ein Konzept, diese übergroßen Gurken direkt auf dem Hof haltbar zu machen. Die für die kurze Zeit der Gurkenernte ohnehin anwesenden Erntehelfer könnten dann in Erntepausen die Gurken weiterverarbeiten. Durch Wegfall des Transports zur Konservenindustrie könnte diese leichtverderbliche Ware ohne nennenswerten Ausschuss und mit höherer Qualität hergestellt werden. Mit Schreiben vom 31.7.1991 erbat die GbR vom Finanzamt eine verbindliche Auskunft, welcher Einkunftsart es zuzuordnen wäre, wenn sie die von ihr erzeugten Gurken sortieren, in Gurkengläser abpacken, mit Sud und Gewürzen versehen und pasteurisieren würde. Die Abfüllanlage der Gurkensud und die Gläser sollten von der Konservenindustrie gestellt werden.
Auf Grund verbindlicher Auskunft des Finanzamts vom 23.9.1991, dass diese Verarbeitung als Tätigkeit in einem Land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetrieb angesehen werde, lieferte die GbR zunächst Gurkenviertel in Gläsern an einen Verarbeitungsbetrieb des A. Dort wurden sie pasteurisiert. Der einstündige Transport zu A erfolgte einmal täglich am Nachmittag. Für den Betrieb des A bedeutete jede Anlieferung eine Störung des Betriebsablaufes, weil eine Pasteurisierungsstrasse ab einer bestimmten Zeit für die von der GbR gelieferten Gläser freigehalten werden musste. Bis zur Ankunft im Betrieb des A waren die geviertelten Gurken je nach Witterung teilweise bereits verdorben. 1994 übernahm die GbR von A eine ausgemusterte Pasteurisierungsanlage und lieferte von da an fertige Gurkensticks, teilweise auch mit Etiketten an A und zunehmend auch an andere Abnehmer. Die Gläser, ggf. Etiketten und den Sud bzw. dessen Rezeptur lieferten die Abnehmer. Im Streitjahr erklärte die Klägerin aus der Sticksproduktion Einnahmen in Höhe von ca. …DM.
Nach einer Betriebsprüfung im Jahr 1996 kündigte das Finanzamt an, dass es auf Grund geänderter Rechtsauffassung beabsichtige, diese verbindliche Auskunft zu widerrufen. Am 13.12.96 fanden eine Betriebsbesichtigung und eine Besprechung zwischen der Klägerin, der Regierung von … und der Steuerverwaltung statt. Darin vertrat die Finanzverwaltung die Auffassung, dass nur noch die erste Bearbeitungsstufe als ...