Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksame Bekanntgabe eines Bescheides
Leitsatz (redaktionell)
1. Auch außerhalb der förmlichen Zustellung eines Bescheides können Bekanntgabemängel durch den tatsächlichen Zugang an den wirklichen Empfänger oder Empfangsbevollmächtigten geheilt werden. Die Interessenlage des betroffenen Steuerpflichtigen sei beim technischen Übermittlungsvorgang der Bekanntgabe durch einfachen Brief keine andere als bei qualifizierter Bekanntgabe im Wege förmlicher Zustellung.
2. Auch durch Übergabe an die - nicht mehr bevollmächtigte - Rechtsnachfolgerin der ehemaligen Bevollmächtigten sind die Interessen der Steuerpflichtigen gewahrt, wenn sie den Bescheid tatsächlich erhält.
Normenkette
VwZG § 9
Tatbestand
Streitig ist, ob der Grunderwerbsteuerbescheid vom 28.12.1999 wirksam bekannt gegeben worden ist, und ob die darin festgesetzte Grunderwerbsteuer der Höhe nach zutreffend ist.
Die Klägerin (Klin.), die S – GmbH, wurde am 30.08.1994 als F – GmbH mit Sitz in W-Stadt gegründet. Alleinige Gesellschafterin der F – GmbH mit einem Stammkapital i. H. v. 50.000,00 DM war die D – AG. Seit dem 05.09.1995 firmiert die F – GmbH (alt) unter S – GmbH und am 26.01.1996 wurde ihr Sitz von W-Stadt, M – Straße nach V-Stadt, N – Straße verlegt. Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) hat irrtümlich in dem hier streitigen Bescheid und in der Einspruchsentscheidung (EE) die Klin. als „LS – GmbH” bezeichnet.
Mit Vertrag vom 17.03.1995 (des Notars Q. in U-Stadt) verkaufte die D – AG mit Sitz in V-Stadt, N-Straße an die F – GmbH mit Sitz in W-Stadt mehrere Grundstücke in W-Stadt zu einem Übertragungswert in Höhe von 3.875.008 DM. Die Zahlung des Übertragungswertes richtete sich nach den Bestimmungen des am 30.09.1994 zwischen der D – AG und der F – GmbH geschlossenen Sacheinbringungsvertrages.
Mit Vertrag vom 22.03.1995 (Notars I, V-Stadt) wurde die Auflassung dahingehend erklärt, dass das Eigentum an den Grundstücken von der D – AG auf die F – GmbH übergehen soll und die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch beantragt.
Hierüber unterrichtete der Notar I den Beklagten (das Finanzamt -FA-) in 1995 mit einer Veräußerungsanzeige. Mit Schreiben vom 19.06.1995 bat die A – AG (Z-Stadt) das FA im Auftrag ihrer Organgesellschaft F – GmbH, W-Stadt, um Zustimmung, dass die Verkehrswertermittlung mit dem FA für Konzernbetriebsprüfung in Z-Stadt abgestimmt werden könne. Diesem Vorschlag, das FA für Konzernbetriebsprüfung in Z-Stadt an der Ermittlung der für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer maßgeblichen Werte zu beteiligen, stimmte das FA mit Schreiben vom 29.01.1996 zu.
Mit Bescheid vom 30.01.1996 setzte das FA die Grunderwerbsteuer ausgehend von einer Bemessungsgrundlage in Höhe von 2 Millionen DM (Einbringungswert in Höhe von 3.875.008 DM abzgl. eines geschätzten Betrages für Zubehör und Betriebsanlagen in Höhe von 1.875.008 DM) auf 40.000 DM fest. Der Bescheid erging gemäß § 164 Abgabenordnung (AO) unter Vorbehalt der Nachprüfung.
Mit Schreiben vom 10.07.1997 bat das FA um Zusendung des am 30.09.1994 geschlossenen Sacheinbringungsvertrages und um Mitteilung, ob inzwischen von der Konzernbetriebsprüfung in Z-Stadt die Besteuerungsgrundlage über den tatsächlichen Verkehrswert ermittelt und abgestimmt worden sei.
Mit Schreiben vom 04.12.1997 antwortete die A – AG, Z-Stadt, wie folgt:
„Wir kommen zurück auf den vorangegangenen Schriftwechsel und geben Ihnen hierdurch nach Prüfung zur Kenntnis, dass es sich bei dem in den Verträgen genannten Wert von 3.875.008 DM tatsächlich nur um Grundvermögen handelt. Betriebsvorrichtungen sowie andere Gegenstände des Anlagevermögens sind darin nicht enthalten. Wir sind deshalb damit einverstanden, wenn sie die Grunderwerbsteuer nach vorgenannter Bemessungsgrundlage endgültig festsetzen. Gleichzeitig würden wir keine weiteren Schritte zur Ermittlung eines auf Einheitswertbasis festzustellenden Verkehrswertes und Abstimmung mit der Betriebsprüfung unternehmen, da wir zu der Ansicht gelangt sind, dass sich hieraus keine wesentliche Abweichung zu unseren Gunsten ergibt.”
Das FA setzte daraufhin mit Bescheid vom 19.10.1998, der weiterhin gemäß § 164 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging, die Grunderwerbsteuer ausgehend von einer Bemessungsgrundlage in Höhe von 3.875.008 DM auf 77.500 DM fest. Die Änderung erfolgte, da laut dem Schreiben vom 04.12.1997 keine Betriebsvorrichtungen sowie andere Gegenstände im Einbringungswert enthalten seien und somit die im erstmaligen Bescheid vorgenommenen Abzüge unzutreffend seien.
Mit Gesellschaftsvertrag vom 19.08.1995 gründete die Klin. eine neue F – GmbH, die im Handelsregister von W-Stadt eingetragen wurde. Das Stammkapital betrug zunächst 50.000 DM. Es wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 20.09.1995 um 17.950.000 DM erhöht. 9,4 Millionen der Anteile wurde von AD-GmbH übernommen. Die S – GmbH brachte ihren Unternehmensbereich Seilgeschäft (inklusive der hier relevanten Grundstücke) zum 01.10.1995 in die F – GmbH (neu) zu einem Betrag in Höhe von 8,5 Millionen DM...