Entscheidungsstichwort (Thema)

Gestaltungsmissbrauch in einem förmlichen Umlegungsverfahren. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: II R 14/22)

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Der Erwerb an Flurstücken in einem förmlichen Umlegungsverfahren kann wegen Gestaltungsmissbrauch von der Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b) GrEStG ausgenommen sein.

2) Für einen Gestaltungsmissbrauch spricht, wenn eine Gemeinde das Umlegungsverfahren dazu nutzt, Gemeindegrundstücke auf einen anderen Rechtsträger zu übertragen.

3) Die Ersparnis von Notar- und Grundbuchkosten stellt keinen anerkennenswerten außersteuerlichen Grund für einen Eigentumserwerb im Umlegungsverfahren dar.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 Buchst. b); AO § 42

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Erwerb von Grundstücken im Rahmen eines Umlegungsverfahrens gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 lit. b) Grunderwerbsteuergesetz in der bis zum 28.12.2020 geltenden Fassung (GrEStG) von der Grunderwerbsteuer befreit ist.

Die Klägerin, deren Unternehmensgegenstand in dem Erwerb von Geschäftshäusern, Beteiligungen und sonstigen Rechten und Geschäften ähnlicher Art besteht, war ursprünglich Eigentümerin der Grundstücke Gemarkung B-Stadt […] Flurstücke F1 (1.462 qm) und F2 (1.551 qm). Zudem war sie Erbbaurechtsnehmerin im Hinblick auf die Flurstücke (mit den heutigen Nummern) F3, F4 und F5. Die Flurstücke F1 und F2 einerseits und die Erbbaurechtsgrundstücke andererseits grenzten nicht aneinander an und waren zudem durch eine Straße (A-Straße) voneinander getrennt. Südlich grenzten die Erbbaugrundstücke an die B-Straße.

Im Jahr 1980 leitete die Stadt B-Stadt ein Umlegungsverfahren nach dem Baugesetzbuch (BauGB) ein (Bezeichnung „U1”). Wegen des genauen Zuschnitts des Umlegungsgebiets wird auf den dem Beschluss des Rates der Stadt B-Stadt vom 00.00.1980 beigefügten Lageplan Bezug genommen. Teile der Erbbaurechtsgrundstücke (die damals andere Flurstücknummern trugen und anders zugeschnitten waren) lagen in diesem – ursprünglichen – Umlegungsgebiet, nicht jedoch die Flurstücke F1 und F2.

Im Jahr 1998 erwarb die Klägerin (rechtsgeschäftlich) die Grundstücke mit den damaligen Flurstückbezeichnungen F6 und F7, die im Wesentlichen mit dem heutigen Flurstück F8 identisch sind. Dieses grenzt an die Erbbaugrundstücke. In der Folgezeit wurde das Umlegungsgebiet mehrmals erweitert. Es erfolgten insgesamt jedenfalls 13 Erweiterungen nach § 52 Abs. 3 BauGB, wobei sich die Änderungen jeweils auf einzelne Grundstücke bezogen, die sodann im Rahmen von Vorwegentscheidungen nach § 76 BauGB zugeteilt wurden. Auf diese Weise wurden Grundstücke, die zwischen der A-Straße und der B-Straße in unmittelbarer Nachbarschaft der Erbbaugrundstücke lagen, einbezogen. Auf die Karte und die Grundbuchübersicht, die die Klägerin als Anlagen 2a und 2b zu ihrem Schriftsatz vom 04.02.2022 übersandt hat, wird Bezug genommen.

Im Rahmen des Umlegungsverfahrens erwarb die Klägerin das Eigentum an den folgenden Grundstücken: Flurstück F9 (heute im Wesentlichen Flurstück F10) im Jahr 2001, Flurstück F10 (2.527 qm) im Jahr 2006, Flurstück F11 (361 qm) im Jahr 2007 und Flurstück F12 (2.397 qm) im Jahr 2011. Im Jahr 2004 ging das Eigentum der Klägerin an den Flurstücken F1 und F2 im Rahmen des Umlegungsverfahrens auf Person A über. Diese zahlte hierfür gemäß §§ 59 und 60 BauGB eine Entschädigung i.H.v. 295.274 EUR an die Klägerin. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss des Umlegungsausschusses (Vorwegentscheidung) vom 00.00.2004 (Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 01.03.2022) Bezug genommen.

Die nunmehr der Klägerin gehörenden Flurstücke F12, F8/F11 und F12 lagen unmittelbar neben den Erbbaugrundstücken. Die Klägerin hatte die Grundstücke an zwei gesellschaftsrechtlich verbundene Unternehmen (heute B-GmbH und C-GmbH) verpachtet, die elektronische Installationsmaterialien herstellten und vertrieben.

Südlich des Flurstücks F10 befanden sich die Flurstücke mit den jetzigen Bezeichnungen F13 (741 qm) und F14 (827 qm); das Eigentum an diesen Grundstücken hatte die Stadt B-Stadt im Rahmen des Umlegungsverfahrens (als „Zwischenlösung”) erworben. Die Flurstücke F10, F13 und F14 waren durch das Flurstück F15 (2.845 qm) von den anderen Grundstücken der Klägerin getrennt. Wegen der Lage der Grundstücke wird auf die Pläne verwiesen, die dem Schriftsatz der Klägerin vom 26.07.2021 beigefügt waren.

Das Flurstück F15 befand sich im Eigentum von Person B. Die Klägerin versuchte in der Folgezeit vergeblich, das Flurstück F15 von Person B käuflich zu erwerben.

Am 30.11.2010 fasste der Umlegungsausschuss der Stadt B-Stadt einen Beschluss, mit dem er (mit Einverständnis der Betroffenen) wiederum durch Vorwegentscheidung nach § 76 BauGB das Eigentum an den Flurstücken mit den heutigen Bezeichnungen F13, F14 und F16 neu zuteilte. Die Klägerin wurde Eigentümerin dieser Grundstücke. Sie selbst brachte die Flurstücke F8, F10 und F11 in das Umlegungsverfahren ein, blieb aber deren Eigentümerin. (Später, im Jahr 2016, erw...

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