Revision eingelegt (BFH X R 16/20)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Berücksichtigung von in einem EU-Mitgliedstaat gezahlten Pflegeversicherungsbeiträgen als Sonderausgaben im Inland Kein nochmaliger Sonderausgabenabzug für in einem EU-Mitgliedstaat entrichtete und dort steuerlich berücksichtigte Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge im Inland
Leitsatz (amtlich)
Während dem Abzug luxemburgischer Pflegeversicherungsbeiträge als Sonderausgaben im Inland bei europarechtlich orientiertem Verständnis die gesetzliche (Neu-)Regelung des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1c) EStG nicht entgegensteht, ergibt sich kein Anspruch auf doppelte Berücksichtigung gezahlter Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge im Tätigkeits- und zudem im Wohnsitzstaat.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 3, § 10 Nr. 3a Abs. 2 S. 1, § 10 Abs. 2 S. 1; DBA Luxemburg Art. 14 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob in Luxemburg vom Arbeitslohn einbehaltene Sozialversicherungsbeiträge im Inland als Sonderausgaben zu berücksichtigen sind.
Der Kläger ist verheiratet. Er wird für das Streitjahr 2015 antragsgemäß einzeln zur Einkommensteuer veranlagt.
Seinen Beruf als Steuerberater übte er teilweise im Inland im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit aus, teilweise in Luxemburg im Rahmen einer nichtselbständigen Tätigkeit. Die in Luxemburg erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit sind im Inland steuerfrei und unterliegen lediglich dem Progressionsvorbehalt. Ausweislich der vom luxemburgischen Arbeitgeber des Klägers erstellten Lohnbescheinigungen wurden bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage für den Lohnsteuerabzug "Sozialbeiträge" iHv 12.658,81 € in Abzug gebracht (s. Bl. 158 Einkommensteuerakte).
In der Einkommensteuererklärung 2015 wurde der Sonderausgabenabzug für nachfolgende luxemburgischen Sozialversicherungsbeiträge beantragt:
Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung |
9.231,00 € |
Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung |
3.429,00 € |
Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung |
1.785,00 € |
|
14.445,00 € |
Der Beklagte lehnte im Einkommensteuerbescheid 2015 vom 29. April 2016 die Berücksichtigung der in Luxemburg gezahlten Versicherungsbeiträge ab. Hiergegen erhob der Kläger am 1. Juni 2016 Einspruch. Am 27. Juni 2016 erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid, die streitigen Sozialversicherungsbeiträge blieben unberücksichtigt.
Zur Begründung seines Einspruchs trug der Kläger in der Folge vor, dass der EuGH im Urteil vom 22. Juni 2017 C-20/16 ("Bechtel"; BStBl II 2017, 1271) die vom BFH in dessen Vorlagebeschluss vom16. September 2015 I R 62/13 (BStBl II 2016, 205) gestellten Rechtsfragen eindeutig beantwortet habe. Vor dem Hintergrund der Ausführungen des EuGH werde deutlich, dass die im BMF-Schreiben vom 11. Dezember 2017 IV C 3-S 2221/14/10005 (BStBl I 2017, 1624) genannte Voraussetzung für einen Sonderausgabenabzug in Deutschland, dass der Beschäftigungsstaat keinerlei Abzug der mit den steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Beiträge im Besteuerungsverfahren zulasse, dem EuGH-Urteil offensichtlich widerspreche bzw. diesem nicht zu entnehmen sei. Außerdem sei zu beachten, dass im Beschäftigungsstaat Luxemburg Beiträge zur Pflegeversicherung überhaupt nicht steuerlich abzugsfähig seien. Diese Beiträge seien daher nach dem EuGH-Urteil zwingend und ohne Einschränkungen in Deutschland als Sonderausgaben abzugsfähig, damit sie sich wenigstens einmal steuerlich auswirkten. Sowohl das o.a. BMF-Schreiben als auch das Jahressteuergesetz 2018 entsprächen nicht der EuGH- bzw. BFH-Rechtsprechung. Der BFH halte auch eine doppelte Berücksichtigung durchaus für möglich. Hierzu habe der EuGH sich - noch - nicht geäußert, was aber keineswegs automatisch bedeute, dass er einen doppelten Abzug ablehne. Zudem widerspreche es offensichtlich der BFH- und EuGH-Rechtsprechung, dass die gezahlten Pflegeversicherungsbeiträge sich weder im Tätigkeits- noch im Wohnsitzstaat auswirkten.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 25. April 2019 zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die Einkünfte des Klägers aus der Tätigkeit in Luxemburg nach dem DBA zwischen Deutschland und Luxemburg von der Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer auszunehmen seien. Sie seien aber gem.§ 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG in die Ermittlung eines besonderen Steuersatzes einzubeziehen. Nach § 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG (a.F.) sei Voraussetzung für den Abzug der in Abs. 1 Nr. 2, 3 und 3a bezeichneten Vorsorgeaufwendungen gewesen, dass diese nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stünden. Im vorliegenden Fall stünden die luxemburgischen Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem steuerfreien Arbeitslohn. Der EuGH habe mit Urteil vom 22. Juni 2017 C-20/16 (Bechtel, BStBl II 2017, 1271) entschieden, dass die unionsrechtliche Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45...