rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer 1995 und 1996
Tenor
I. Der Ablehnungsbescheid vom 6. April 1998 zur Änderung der Einkommensteuerveranlagungen 1995 vom 20. Juni 1996 und 1996 vom 13. März 1997 in der Fassung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 22. Juli 1998 wird aufgehoben. Dem Finanzamt wird aufgegeben, die Einkommensteuer für die genannten Jahre unter Berücksichtigung von Vorbezugskosten gem. § 10 e Abs. 6 EStG für den in 1997 fertiggestellten und eigengenutzten Anbau am Gebäude in … neu festzusetzen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die zur Einkommensteuer zusammenveranlagten klagenden Eheleute begehren eine Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerveranlagungen 1995 und 1996 zur Berücksichtigung von Vorbezugskosten eines in 1997 fertiggestellten und eigengenutzten Anbaus am selbstgenutzten Einfamilienhaus.
Der 1952 geborene Kläger ist als Controller, die 1955 geborene Klägerin als Realschullehrerin nichtselbständig tätig. Die Eheleute habe drei gemeinsame Kinder, die zwischen 1986 und 1991 geboren sind.
Im Jahr 1989 erwarben die Kläger ein eigengenutztes Einfamilienhaus in … für das sie die Steuerbegünstigung nach § 10 e Abs. 1 EStG in Anspruch nahmen. 1995 begannen sie mit dem Bau eines Anbaus, der 1997 fertiggestellt wurde und seit dem (gleichfalls) zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Ab 1997 wird hierfür die Steuervergünstigung nach § 10 e Abs. 2 EStG (Zweitobjekt) gewährt.
Mit ihren Einkommensteuererklärungen 1995 und 1996, die beim Finanzamt am 30. Mai 1996 bzw. am 27. Februar 1997 eingingen, gaben die Kläger – wie in den Vorjahren – eine Anlage FW lediglich für das Einfamilienhaus ab; für das erst in 1997 fertiggestellte Zweitobjekt (Anbau) wurde eine Anlage FW nicht eingereicht. In den für das Einfamilienhaus eingereichten Anlagen blieb das Kästchen „Ausbau/Erweiterung einer eigengenutzten Wohnung” (Zeile 32 des Vordrucks für 1995; entsprechendes gilt jeweils für den Vordruck 1996) frei. In den finanzamtlichen Anleitungen zur Anlage FW heißt es u. a. (zu Zeilen 30 bis 47): „Haben Sie Ihre eigengenutzte Wohnung erweitert oder weiteren Wohnraum ausgebaut, so kreuzen sie das entsprechende Auswahlkästchen in Zeile 32 an, denn auch für diese Herstellungskosten kann der Abzugsbetrag in Anspruch genommen werden ….”. Es heißt weiter (zu Zeilen 34 und 35): „Waren Sie aber bereits im Zeitpunkt der Anschaffung oder Fertigstellung der Wohnungen verheiratet, so kann der Abzugsbetrag nicht gleichzeitig für beide Wohnungen nebeneinander berücksichtigt werden, wenn die beiden Wohnungen im räumlichen Zusammenhang zueinander liegen”. Zu Zeilen 52 bis 56 steht: „Die Aufwendungen (d. h. Vorbezugskosten gem. § 10 e Abs. 6 EStG) können unter diesen Aufwendungen auch abgezogen werden, wenn Sie den Abzugsbetrag nach §§ 10 e, 10 h EStG nicht in Anspruch nehmen wollen oder können (z. B. wegen der Objektsbeschränkung).”
Die Steuererklärungen wurden von den Klägern ohne Mithilfe eines steuerlichen Beraters gefertigt.
Der Einkommensteuerbescheid 1995 erging am 20. Juni 1996, der Bescheid 1996 am 13. März 1997. Die Veranlagungen erfolgten erklärungsgemäß. Die Bescheide wurden bestandskräftig.
Mit Schreiben vom 18. März 1998, der beim Finanzamt am darauffolgenden Tag einging, beantragten die Kläger, die Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern und für 1995 Aufwendungen vor Bezug in Höhe von 26.633,88 DM sowie für 1996 in Höhe von 15.741,44 DM zu berücksichtigen. Zur Begründung trugen sie vor: Sie hätten erst bei Erstellung der Steuererklärung 1997 erfahren, dass die Vorbezugskosten für den Anbau schon in den Jahren 1995 und 1996 hätten geltend gemacht werden müssen. Damals seien sie allerdings davon ausgegangen, dass die Steuerbegünstigung nach § 10 e Abs. 2 EStG und damit auch der Vorbezugskostenabzug nach § 10 e Abs. 6 EStG erst nach Ablauf des Förderungszeitraums für das erste Objekt (Einfamilienhaus), also erst ab 1997, möglich gewesen sei.
Das Finanzamt lehnte die beantragte Änderung mit Bescheid vom 6. April 1998 ab. In der Begründung wies es darauf hin, dass die dem Vordruck „Anlage FW” beigefügten Erläuterungen einen Passus enthielten, in dem die Behandlung der Kosten vor Bezug hinreichend erläutert sei. Dass dieser Hinweis nicht beachtet worden sei, bedeute ein grobes Verschulden der Kläger, so dass eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht möglich sei.
Gegen die Ablehnung des Antrages auf Änderung der Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 legten die Kläger am 6. Mai 1998 Einspruch ein. Sie machten geltend, dass die Unkenntnis steuerrechtlicher Vorschriften oder das Mißverständnis eines Formularhinweises bei einem Steuerpflichtigen ohne steuerrechtliche Ausbildung keine grobe Fahrlässigkeit begründen könne.
Mit Entscheidung vom 22. Juli 1998 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück. Das Finanzamt führte aus, dass in den Zeilen 52 bis 56 des V...