Prof. Dr. Michael Fischer
Rz. 2
§ 3 ErbStG erstreckt die Erbschaftsteuerpflicht einerseits auf Tatbestände, die nicht durch das Erbrecht definiert werden. Andererseits ist nicht jeder Erwerb, der mit dem Tod einer natürlichen Person zusammenhängt, ipso iure erbschaftsteuerpflichtig. Zum Erwerb von Todes wegen gehört nur, was unter § 3 ErbStG subsumierbar ist. Deshalb hat z. B. der BFH mit Urteil vom 6.3.1991 entschieden, dass der Erwerb des Erben aufgrund eines Anspruchs nach § 2287 BGB nicht unter § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG (1974) falle. Diese Rspr. nahm der Gesetzgeber zum Anlass, den Fall explizit zu regeln. Durch das StÄndG 1992 wurde § 3 Abs. 2 ErbStG um die neu eingefügte Nr. 7 ergänzt. Nicht steuerbar sind z. B. die den Hinterbliebenen aufgrund gesetzlicher Vorschriften zustehenden Versorgungsbezüge, da § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG einen Vertrag voraussetzt. Gleiches gilt für die Abfindung an den weichenden Erbprätendenten, der tatsächlich kein Erbe ist. Ob Schadensersatzansprüche, die mit dem Todesfall zusammenhängen, nicht steuerbar sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Nicht steuerbar sind die Schadensersatzansprüche aus den §§ 844, 845 BGB, weil sie nicht in der Person des Erblassers, sondern in der Person des Erben als sog. mittelbar Geschädigtem entstehen. Nicht erfasst werden weiterhin Schadensersatzansprüche enttäuschter Erben wegen rechtswidriger Vereitelung einer durch den Erblasser geplanten wirksamen Erbeinsetzung oder die gesetzliche Mietvertragsübernahme nach den §§ 563 ff. BGB. Anders liegt es für Ansprüche auf Schmerzensgeld, weil sie vor dessen Tod in der Person des Erblassers entstanden sind. An einem steuerbaren Erwerb fehlt es bei Ansprüchen aus der Luftunfall-Pflichtversicherung, mit der eigene Ansprüche der Hinterbliebenen nach dem LuftVG ohne Schadensnachweis pauschal abgegolten werden. Demgegenüber entstehen Ansprüche aus der Kfz-Insassen-Unfallversicherung (Rz. 501) bereits in der Person des versicherten Fahrzeuginsassen, weshalb sie zum Erwerb durch Erbanfall nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 ErbStG gehören.
Rz. 3
Nicht von § 3 Abs. 1 ErbStG erfasst werden Vermögensvorteile, die sich mangels eines Erwerbs- oder Zuwendungsvorgangs nicht als Substanzübergang darstellen. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie mittelbar auf Vermögensdispositionen des Erblassers beruhen, die mit seinem Ableben wirksam werden. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist der Beschluss des BFH, der den Verkauf von Grundstücken gegen Leibrente für die Verkäuferin und spätere Erblasserin und ihre beiden Schwestern als Gesamtgläubiger gem. § 428 BGB zum Gegenstand hatte. Das FA vertrat die Auffassung, der überlebenden Schwester (die zugleich Alleinerbin war) sei der der Erblasserin zustehende Rentenanteil aufgrund eines Vertrags zugunsten Dritter i. S. v. § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG "angewachsen". Der BFH stellte fest, dass sich die Rechtsposition der Antragstellerin als Gesamtgläubigerin der Rentenforderung mit dem Eintritt des Erbfalls nicht verändert habe. Da der Dritte gegenüber der Erblasserin zur Entrichtung der Rente nur für deren Lebensdauer verpflichtet war, verlor die Erblasserin überdies ihre Stellung als Gesamtgläubigerin der Rente mit ihrem Tode, sodass auch die Anwendung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ausschied. § 3 ErbStG ist also kein Auffangtatbestand für Fälle, in denen die Besteuerung von Schenkungen versäumt worden ist. Eine vom Erben bereits vor dem Todesfall in vollem Umfang erworbene Rechtsposition – so der BFH – kann nicht Gegenstand eines Erwerbs von Todes wegen sein.
Rz. 4
In gleicher Weise abschließend ist die Regelung der Ersatztatbestände in § 3 Abs. 2 ErbStG. Mit dem ErbStRG hat der Gesetzgeber allerdings den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Nrn. 4 und 7 ErbStG erweitert, um mögliche Lücken der Ersatztatbestände zu schließen (Rz. 543, 552).