Prof. Dr. Michael Fischer
Rz. 12
Der Erwerb der Erbenstellung hängt von einem Berufungsgrund (Gesetz oder Verfügung von Todes wegen) und der Erbfähigkeit (namentlich Überleben zum Zeitpunkt des Erbfalls) ab. Schließlich darf kein Erbverzicht erfolgt sein. Unter diesen Voraussetzungen fällt die Erbschaft mit Erbfall von selbst (ipso iure) dem berufenen Erben an, ohne dass es dazu der Kenntnis vom Erbfall oder einer besonderen Handlung des Erben, wie etwa der Annahme der Erbschaft oder eines behördlichen oder gerichtlichen Akts, bedürfte. Das deutsche Erbrecht hat sich für das Erbanfallprinzip entschieden. Mit Erbfall (Zeitpunkt des Todes) gehen die Rechte des Erblassers auf den oder die Erben über. Das deutsche Erbrecht hat sich damit gegen die römisch-rechtliche Figur einer sog. ruhenden Erbschaft ausgesprochen, nach der die zum Nachlass gehörenden Rechte mit Eintritt des Erbfalls zunächst subjektlos wären. Es erschien dem Gesetzgeber vorzugswürdiger, einen entsprechenden Schwebezustand zu vermeiden.
Rz. 13
Der Anfall der Erbschaft kann durch den Erben nur durch Ausschlagung vermieden werden. Ansonsten können Dritte die Erbenstellung wieder durch eine Erbunwürdigkeitserklärung oder eine Anfechtung der Verfügung von Todes wegen beseitigen. Das Ausschlagungsrecht steht grundsätzlich jedem Erben ohne Rücksicht auf seinen Berufungsgrund zu und kann auch nicht durch letztwillige Verfügung des Erblassers ausgeschlossen werden. Das Ausschlagungsrecht lässt sich als Gestaltungsrecht einordnen, weil das Gesetz dem Erben die Rechtsmacht einräumt, den eingetretenen Erbschaftsanfall durch einseitige Willenserklärung wieder rückgängig zu machen. Da die Ausschlagung notwendig die Rechtsstellung anderer Nachlassbeteiligter berührt, besteht ein erhebliches Interesse an Rechtsklarheit darüber, ob eine wirksame Ausschlagung des vorläufigen Erben vorliegt. Dem trägt das Gesetz zum einen dadurch Rechnung, dass es die Willenserklärung als formgebunden und amtsempfangsbedürftig ansieht. Die Erklärung hat gegenüber dem Nachlassgericht in der Form einer Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich beglaubigter Form zu erfolgen. Zum anderen sieht § 1947 BGB vor, dass die Ausschlagung nicht unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung erfolgen kann. Das Recht zur Ausschlagung ist zwar vererblich, aber nach ganz einhelliger Meinung nicht rechtsgeschäftlich übertragbar. Das Ausschlagungsrecht entsteht gem. § 1946 BGB mit Eintritt des Erbfalls. Eine vor dem Erbfall erklärte Ausschlagung ist wirkungslos und muss deshalb nach dem Erbfall wiederholt werden. Da das Gesetz auf den Zeitpunkt des Erbfalls, also den Tod des Erblassers, und nicht auf den Erbanfall beim Erben abstellt, kann in der Konstellation der Vor- und Nacherbschaft der Nacherbe bereits vor Eintritt der Nacherbfolge ausschlagen. Gleiches gilt für den Ersatzerben. Nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf soll auch der Schlusserbe beim Berliner Testament schon nach Versterben des ersten Ehegatten zur Ausschlagung berechtigt sein. Legt man allerdings den Wortlaut des Gesetzes zugrunde, entsteht das Ausschlagungsrecht des Schlusserben erst nach dem Tod des 2. Ehegatten, weil er gem. § 2269 Abs. 1 BGB nur diesen beerbt. Das Ausschlagungsrecht erlischt entweder durch Annahme der Erbschaft oder durch Ablauf der Ausschlagungsfrist. Die Ausschlagungsfrist ist zeitlich auf 6 Wochen bzw. in Fällen mit Auslandsberührung auf 6 Monate begrenzt. Solange die für die Ausschlagung vorgeschriebene Frist nicht verstrichen ist und der Berufene die Erbschaft noch nicht angenommen hat, ist er nur vorläufiger Erbe. Mit der Stellung des Berufenen als vorläufigem Erben verbindet das Gesetz bestimmte Schutzvorschriften. Allerdings beginnt die Frist erst, wenn der Erbe von dem Erbfall und dem konkreten Berufungsgrund Kenntnis erlangt hat. Bei einer Berufung durch letztwillige Verfügung beginnt die Frist frühestens mit Verkündung der Verfügung zu laufen. Entscheidend ist hierfür nach Auffassung des BGH die Kenntnis des Erben von der Eröffnung der Verfügung.
Rz. 14
Wird die Erbschaft wirksam ausgeschlagen, gilt der Anfall an den Ausschlagenden als nicht erfolgt. Der Ausschlagende ist kraft gesetzlich rückwirkender Fiktion nie Erbe gewesen, sodass der an seine Stelle tretende Erbe die Erbschaft nicht vom Ausschlagenden, sondern vom Erblasser im Wege der Gesamtrechtsnachfolge erlangt. Das Gesetz schreibt des Weiteren zwingend vor, wem die ausgeschlagene Erbschaft rückwirkend anfällt. Nach § 1953 Abs. 2 BGB fällt sie demjenigen an, welcher berufen sein würde, wenn der Ausschlagende zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht gelebt hätte. An die Stelle eines eingesetzten Erben tritt ein Ersatzerbe. Soweit ein solcher nicht berufen ist, tritt der gesetzliche Erbe an seine Stelle. Dem Ausschlagenden steht damit nicht das Recht zu, im Wege der Ausschlagung die Erbenstellung zu übertragen. Nach allgemeinen Grundsätzen ist die Stellung als Erbe generell der vertraglichen Disposition e...