Rz. 50
Treaty Override. Sofern der Tatbestand des § 4j Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG erfüllt ist, greift das (Teil-)Abzugsverbot für die (Lizenz)Aufwendungen i.S.d. § 4j Abs. 3 EStG "ungeachtet eines bestehenden Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung". Diese Formulierung begründet einen Treaty override.
Rz. 51
"Unschädlichkeit" des Treaty Override. Ein Treaty override durchbricht zwar den Grundsatz des Vorrangs völkerrechtlicher Vereinbarungen i.S.d. § 2 AO, ist nach ständiger Rechtsprechung von BVerfG allerdings nicht zu beanstanden, sofern der Gesetzgeber seinen Willen zum Treaty override ausdrücklich im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck bringt.
Rz. 52
Auswirkung des Treaty Override. Ungeachtet dessen ist fraglich, wie sich der in § 4j EStG normierte Treaty override im Verhältnis zu dem abkommensrechtlichen Verteilungsartikel des Art. 12 OECD-MA sowie dem in Art. 24 OECD-MA verankerten Diskriminierungsverbot überhaupt auswirkt.
Rz. 53
Art. 12 OECD-MA. Gemäß § 4j EStG wird ein Betriebsausgabenabzug auf Ebene des inländischen Lizenznehmers verwehrt. Davon bleibt die Besteuerung der Einkünfte auf Ebene des (Lizenz-)Gläubigers und damit Art. 12 OECD-MA unberührt. Daher handelt es sich bei DBA, die dem OECD-MA entsprechen, mit Blick auf Art. 12 OECD-MA nicht um einen Treaty override.
Rz. 54
Art. 24 Abs. 4 OECD-MA. Grundsätzlich führt § 4j EStG zu einer Verdrängung der Antidiskriminierungsvorschrift i.S.d. Art. 24 Abs. 4 OECD-MA. Hiernach sind mitunter Lizenzgebühren, die ein Unternehmen eines Vertragsstaats an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person zahlt, unter den gleichen Bedingungen zum Abzug zugelassen wie Zahlungen im rein nationalen Fall. Zwar beinhaltet § 4j EStG keine direkte Diskriminierung des Auslands- gegenüber einem vergleichbaren Inlandssachverhalt. De facto betrifft § 4j EStG jedoch ausschließlich grenzüberschreitende Sachverhalte (vgl. hierzu Rz. 41). Insofern überrascht es nicht, dass die Abkommensüberschreitung laut Gesetzesbegründung gegen die Antidiskriminierungsvorschrift i.S.d. Art. 24 Abs. 4 OECD-MA gerichtet ist. Entsprechend soll die Antidiskriminierungsvorschrift i.S.d. Art. 24 Abs. 4 OECD-MA der Anwendung des § 4j EStG nicht entgegenstehen können. Wenn dem entgegengehalten wird, dass Art. 24 Abs. 4 OECD-MA nur offene Diskriminierungen erfasse, weshalb kein Konflikt mit § 4j EStG entstehen könne, wird die Rechtsprechung des BFH vom 8.9.2010, der zufolge hiervon auch versteckte Diskriminierungen erfasst sein können, verkannt. Diese – zu § 8a KStG a.F. ergangene – Rechtsprechung dürfte auf das in § 4j EStG normierte (Teil-)Abzugsverbot übertragbar sein. Zu beachten ist allerdings, dass Art. 24 Abs. 4 OECD-MA nur dann gilt, sofern nicht Art. 9 OECD-MA anwendbar ist. Mithin sperrt Art. 9 OECD-MA die Gewinnberichtigung, sofern diese nicht auf einem Abweichen vom Fremdvergleich beruht. Entsprechend findet Art. 24 Abs. 4 OECD-MA vorrangig bei Zahlungen an nicht verbundene Unternehmen Anwendung. Da § 4j EStG nur verbundene Unternehmen betrifft, wird Art. 9 OECD-MA stets Anwendungsvorrang haben.