Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 2604
Eigenständigkeit der Regelung? Gem. § 1 Abs. 3c Satz 1 ist die Übertragung oder Nutzungsüberlassung eines immateriellen Werts "zu vergüten,wenn diese auf der Grundlage einer Geschäftsbeziehung im Sinne des Absatzes 4 erfolgt und hiermit eine finanzielle Auswirkung für den Übernehmer, den Nutzenden, den Übertragenden oder den Überlassenden verbunden ist". Bemerkenswert erscheint, dass § 1 Abs. 3c Satz 1 – wie auch § 1 Abs. 3c Satz 4 (Rz. 2703) – nicht auf § 1 Abs. 1 Satz 1 Bezug nimmt, sondern nur bestimmt, dass eine Übertragung oder Nutzungsüberlassung eines immateriellen Werts unter bestimmten Umständen "zu vergüten" sei. Insoweit kann die Vorschrift – zumindest auch – als eine neben der reinen Korrekturvorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 1 stehende eigenständige Regelung gesehen werden. Tatsächliche Folgen hat dies freilich nur dann, wenn § 1 Abs. 3c konkretisierende Wirkung auch für die neben § 1 Abs. 1 Satz 1 stehenden innerstaatlichen Korrekturvorschriften entfalten sollte, d.h. insbesondere für das Rechtsinstitut der verdeckten Gewinnausschüttung und der verdeckten Einlage. Vor dem Hintergrund der Positionierung der Vorschrift in § 1 AStG ist dies jedoch u.E. zweifelhaft.
Rz. 2605
Gefahr der Doppelbesteuerung. Beschränkt man die Regelungskraft von § 1 Abs. 3c auf Korrekturen nach § 1 Abs. 1 Satz 1, hat dies folgende Auswirkungen: § 1 Abs. 1 Satz 1 greift nur zulasten des Steuerpflichtigen, sodass § 1 nur dann geeignet wäre, eine DEMPE-konforme Gewinnverteilung über entsprechende außerbilanzielle Korrekturen sicherzustellen, wenn dem in Deutschland steuerpflichtigen verbundenen Unternehmen ein aus DEMPE-Sicht zu geringer Gewinnanteil zugeordnet worden ist. Ist das in Deutschland steuerpflichtige Unternehmen dagegen übervergütet, bleibt es nach deutschem Steuerrecht zunächst bei dieser Zuordnung, sodass Doppelbesteuerungen auftreten, wenn der ausländische Staat auf den DEMPE-konformen Gewinn korrigiert. Das ausdrückliche Ziel der Reform des § 1, die Vermeidung von Doppelbesteuerungen über eine konsistente Umsetzung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, wird damit verfehlt. In vielen Fällen sollte sich eine solche Asymmetrie allerdings über eine Gegenkorrektur auf der Grundlage Anwendung der Art. 9 Abs. 2 OECD-MA entsprechenden DBA-Regelung auflösen lassen, wenn insoweit eine gleiche Auslegung erfolgt. Eine einheitliche Auslegung ist daher schon unter Konsistenzgesichtspunkten zu fordern. Dass die VWG VP 2023 eine einheitliche Anwendung der OECD-Leitlinien unabhängig davon vorsehen, ob das DBA mit einem OECD- oder einem Nicht-OECD-Staat vereinbart worden ist oder ob es gänzlich an einem anwendbaren DBA fehlt, ist daher zu begrüßen. Wenn es allerdings mangels eines anwendbaren DBA dem Grunde nach an einer Gegenkorrekturvorschrift fehlt, kann auch eine einheitliche Anwendung der OECD-Leitlinien die Gefahr von Doppelbesteuerungen nicht ausschließen.