Rz. 21
Allgemeines. Aus verfassungsrechtlicher Sicht muss die deutsche Ausgestaltung der länderbezogenen Berichtspflicht in § 138a AO mit höherrangigem Recht, insbesondere den Grundrechten, vereinbar sein. Denn losgelöst von einem international bestehenden Konsens, der zur Einführung einer solchen Regelung erforderlich ist, muss sich in Deutschland jede Rechtsnorm am Grundgesetz "messen" lassen. Mit Blick auf die in § 138a AO vorgesehene Offenlegung von umfangreichen Unternehmensdaten ist insbesondere die Vereinbarkeit der Regelung mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung von Bedeutung. Über Art. 19 Abs. 3 GG findet dieses Grundrecht auch bei den von § 138a AO berührten Konzernunternehmen Anwendung.
Rz. 22
Schutzbereich. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist ein aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht in Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitetes Grundrecht. Dieses verkörpert für den Einzelnen die Befugnis, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner Daten zu bestimmen und soll vor einer unbegrenzten Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe der eigenen Daten schützen. Dies setzt Entscheidungsfreiheit über vorzunehmende oder zu unterlassende Datenpreisgabe einschließlich der Möglichkeit voraus, sich auch tatsächlich entsprechend dieser Entscheidung zu verhalten.
Rz. 23
Eingriff. Die in § 138a AO ausdrücklich vorgeschriebene Erhebung (Abs. 1, 3, 4), Speicherung (Abs. 7 Satz 5), Verwendung (Abs. 7 Satz 4) sowie Preisgabe (Abs. 7 Satz 1–3) der vorgegebenen Konzerndaten (Abs. 2) tangiert die verpflichteten Konzernunternehmen und stellt im Ergebnis einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dar.
Rz. 24
Rechtfertigung. Einen solchen Eingriff müssen die betroffenen Unternehmen nur insofern hinnehmen, als dies im Rahmen einer Abwägung der bestehenden Interessen erforderlich ist. Denn nur in diesem Fall ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt. Dabei steht dem Geheimhaltungsinteresse der Konzernunternehmen das Interesse der Allgemeinheit an einer Offenlegung für Zwecke der ordnungsgemäßen Besteuerung gegenüber. Seine Ausprägung findet dieses Offenlegungsinteresse in den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung. Dabei erscheint es äußerst fraglich, ob hierin eine hinreichende Rechtfertigung von § 138a AO gesehen werden kann. Grund hierfür ist einerseits, dass der deutsche Gesetzgeber (übereinstimmend mit den supranationalen Institutionen von OECD und EU) im CbC-Report kein Grundlageninstrument der Besteuerung sieht, indem er ausdrücklich eine Kontrolle der Angemessenheit von Verrechnungspreisen in internationalen Konzernen alleine basierend auf den Berichtsangaben ausschließt (vgl. hierzu Anm. 4). Darüber hinaus mehren sich die Ansichten, dass selbst der eigentliche Zweck des CbC-Reports als Risikoeinschätzungsinstrument bei der Verrechnungspreisbildung verfehlt wird. Dies beruht insbesondere auf dem Umstand, dass sich der Gesetzgeber für Zwecke der Verrechnungspreiskontrolle am Fremdvergleichsgrundsatz des § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG orientiert und gerade nicht an den nach § 138a Abs. 2 AO zu veröffentlichenden Unternehmensgrößen wie Erlöse, Kapital und Anzahl der Beschäftigten. In der Folge wirft dies die Frage auf, ob der sich aus dem CbC-Report für die Finanzverwaltung ergebende Informationsmehrwert noch in einem angemessenen Verhältnis zu der damit für die Konzernunternehmen einhergehenden Mehrbelastung infolge von Beschaffung und Aufarbeitung der Daten in der von § 138a AO geforderten Form steht. Berücksichtigt man dabei die zugleich durch den Gesetzgeber vorgenommene Ausweitung der Verrechnungspreisdokumentation in § 90 Abs. 3 AO, erhöhen sich die Rechtfertigungsanforderungen für einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung weiter. Dies gilt umso mehr, als die Verhältnismäßigkeitsanforderungen bei diesem Grundrecht maßgebend von der Eingriffsintensität geprägt sind. Besonders kritisch ist diesbezüglich die Angabe undefinierter Zusatzinformationen nach § 138a Abs. 2 Nr. 3 AO.
Rz. 25
Fazit. Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass die Rechtfertigungsanforderungen für die Offenlegung der in § 138a Abs. 2 AO genannten Unternehmensdaten internationaler Konzerne sehr hoch sind und dass ihre Verhältnismäßigkeit – in der Form, wie sie in § 138a AO Ausgestaltung gefunden hat – durchaus bezweifelt werden muss. Infolge der ausdrücklichen Betonung des deutschen Gesetzgebers, dass die CbC-Report-Daten nicht Grundlage für konkrete Verrechnungspreiskorrekturen sein dürfen (vgl. Anm. 4 und Anm. 6), sollte feststehen, dass nur eine zweckkonforme Nutzung der Daten zulässig ist und einer zweckändernden Weiternutzung der länderbezogenen Berichte verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt sind. Darüber hinaus muss die Geheimhaltung von Betriebs-, Finanz- und Geschäftsgeheimnissen gewährleistet sein (vgl. hierzu be...