Prof. Dr. Jochen Lüdicke, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 763
Nicht besteuerte Einkünfte. Für die Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrags sollen nach der Intention des Gesetzgebers nur solche Einkünfte berücksichtigt werden, die grundsätzlich einer Doppelbesteuerung unterliegen. Entsprechend scheidet § 34 c Abs. 1 Satz 3 EStG (iVm. § 34 c Abs. 6 Satz 2 EStG) all diejenigen Einkünfte aus der Berechnung aus, die entweder bereits im Grundsatz nicht steuerbar oder aufgrund innerstaatlicher (ausländischer) Steuerbefreiung nicht zu besteuern sind. Ergänzend hierzu ordnet § 34 c Abs. 6 Satz 3 EStG die Nichtberücksichtigung auch für die Einkünfte an, die aufgrund des DBA im Ausland nicht besteuert werden. Dies betrifft regelmäßig Einkünfte, für welche dem Quellenstaat kein Besteuerungsrecht zusteht oder umgekehrt allein dem Ansässigkeitsstaat (hier Deutschland) ein Besteuerungsrecht zugestanden wird.
Rz. 764
Konkurrenzverhältnis zu Satz 2. In der Literatur ist hinsichtlich des Verweises auf § 34 c Abs. 1 Satz 3 EStG das Konkurrenzverhältnis zwischen Satz 2 und Satz 3 umstritten. Dieser Streit wird insbesondere dann relevant, wenn ein DBA die Besteuerung der Einkünfte erlaubt, so dass Satz 3 nicht einschlägig ist, aber für die Besteuerung die innerstaatliche Rechtsgrundlage fehlt. Nach einer Ansicht soll in diesem Fall § 34 c Abs. 6 Satz 3 EStG die speziellere Regelung sein, so dass vorliegend § 34 c Abs. 6 Satz 2 EStG verdrängt wird und damit § 34 c Abs. 1 Satz 3 EStG mangels Einschlägigkeit des § 34 c Abs. 6 Satz 3 EStG nicht zur Anwendung kommt. Diese Auslegung wird aber zu Recht abgelehnt. Der Regelung ein solches Exklusivitätsverhältnis beizumessen widerspricht der Intention des Satzes 3, dem gesetzessystematisch lediglich eine Auffangfunktion hinsichtlich des in § 34 c Abs. 1 Satz 3 EStG nicht geregelten Falles der Nichtbesteuerung aufgrund DBA zukommt. Weiterhin steht auch der Wortlaut des Satzes 3 der erstgenannten Ansicht entgegen, da nach Satz 3 die Regelung des § 34 c Abs. 1 Satz 3 EStG "auch dann" i.S. von über den in § 34 c Abs. 6 Satz 2 iVm. § 34 c Abs. 1 Satz 3 EStG hinausgehenden Fall der Nichtbesteuerung aufgrund DBA, zur Anwendung kommen soll.
Rz. 765
Qualifikationskonflikte/Abkommenswidrige Besteuerung. Bei der Abkommensanwendung kann es in der Praxis aufgrund unterschiedlicher Auslegung bzw. Interpretation zwischen den beiden Vertragsstaaten zu Qualifikations- und Zurechnungskonflikten kommen. Diese Konflikte können dazu führen, dass der Quellenstaat eine – nach seiner Auslegung abkommenskonforme – Quellensteuer erhebt, obwohl er – ausgehend von der Abkommensauslegung des Ansässigkeitsstaates – gar kein Besteuerungsrecht hinsichtlich dieser Einkünfte hat und diese eigentlich unbesteuert lassen müsste. Fraglich ist, ob in diesem Fall ebenfalls § 34 c Abs. 6 Satz 3 EStG einschlägig ist und diese Einkünfte – obwohl tatsächlich besteuert – bei der Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrags auszunehmen sind. Dies ist zwar diskutabel, im Ergebnis aber zu verneinen. Für eine Nichtberücksichtigung der ausländischen Einkünfte könnte zunächst der Wortlaut des § 34 c Abs. 6 Satz 3 EStG "nicht besteuert werden können" sprechen, der abstrakt die grundsätzliche Freistellung der Einkünfte durch das DBA ausreichen lässt. Allerdings verweist Abs. 6 Satz 3 auf § 34 c Abs. 1 Satz 3 EStG. Nach dieser Norm sind nur solche Einkünfte nicht zu berücksichtigen, die "nicht besteuert werden". Dies bedeutet, dass es einer tatsächlichen Nichtbesteuerung durch den Quellenstaat für die Nichtberücksichtigung der Einkünfte im Rahmen des Anrechnungshöchstbetrags bedarf. Dieses Ergebnis, die Nichtanwendbarkeit von § 34 c Abs. 1 Satz 3 iVm. § 34 c Abs. 6 Satz 3 EStG bei einer (abkommenswidrigen) Besteuerung im Quellenstaat, entspricht auch dem Telos der Norm, da (nur) solche Einkünfte bei der Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrags keine Berücksichtigung finden sollen, die mangels Besteuerung im Quellenstaat bereits abstrakt keiner Doppelbesteuerung unterliegen können. Ein solcher Fall liegt vorliegend aber aufgrund der tatsächlichen Besteuerung im Quellenstaat nicht vor. Die Frage danach, ob eine Berücksichtigung der ausländischen Steuer aus anderem Grund unterbleiben muss, wie bspw. ein noch möglicher auf das DBA beruhender Ermäßigungsanspruch, ist damit freilich noch nicht entschieden.
Rz. 766
frei