Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
1. diese Gesellschaft Geschäftsleitung und Sitz in demselben Staat wie die ausländische Gesellschaft hat...
Rz. 618
"Diese" Gesellschaft. Unter "dieser" Gesellschaft war die 1. Untergesellschaft, dh. die Enkelgesellschaft zu verstehen. Die 1. Untergesellschaft musste ihre Geschäftsleitung und ihren Sitz in demselben Staat wie die Obergesellschaft haben, weshalb § 8 Abs. 2 Nr. 1 aF auch kurz als die Regelung der Landesholding bezeichnet wurde. Mit dem Begriff "Landesholding" sollte dabei keineswegs auf die Verhältnisse in Deutschland, sondern lediglich auf Verhältnisse im Staat der Obergesellschaft verwiesen werden. Der auf die Obergesellschaft bezogene Begriff der Holding besagte nichts darüber, dass die Obergesellschaft ausschließlich eine Holdingtätigkeit ausüben musste. Beteiligungserträge aus aktivem Erwerb entstanden also unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 aF auch dann, wenn die Obergesellschaft – was die Regel war – einer sog. gemischten Tätigkeit nachging.
Rz. 619
Anwendung von 42 AO. Es wurde die Frage aufgeworfen, ob nicht gegenüber einer Landesholding der Vorwurf des Missbrauchs (§ 42 AO) zu erheben ist. Danach musste der Missbrauchsvorwurf am Gesetzeszweck der §§ 7–14 gemessen werden. Da § 8 Abs. 2 Nr. 1 aF die Beteiligungserträge einer Landesholding als aktive Erträge einstufte, konnte die Zwischenschaltung einer Landesholding allein noch nicht missbräuchlich sein. Ein entsprechender Vorwurf konnte nur dann durchgreifen, wenn die ausländische Holding nach der Art einer Briefkastengesellschaft die ihr zugedachte Funktion nur "auf dem Papier" ausübte.
Rz. 620
Geschäftsleitung, Sitz. Geschäftsleitung und Sitz der 1. Untergesellschaft mussten sich im Staat der Obergesellschaft befinden. Fielen Geschäftsleitung und Sitz in zwei verschiedene Staaten, so war 8 Abs. 2 Nr. 1 aF nicht mehr anwendbar, selbst wenn in diesem Fall Geschäftsleitung oder Sitz der 1. Untergesellschaft sich noch im Staat der Obergesellschaft befanden. Unter dem Begriff "Staat" war der Staat im völkerrechtlichen Sinne zu verstehen. Dies war für sog. Zwergstaaten von Bedeutung, die sich mit einem anderen Staat zu einer Wirtschafts- und Währungseinheit zusammengeschlossen hatten. IS von § 8 Abs. 2 Nr. 1 aF stellten Staaten wie Liechtenstein, Monaco, Andorra ua.m. selbständige Einheiten dar. Der Bundestag hatte es abgelehnt, die Anwendung von § 8 Abs. 2 Nr. 1 aF auf einheitliche Wirtschaftsbereiche auszudehnen.