Rz. 612

[Autor/Stand] Funktionsbegriff. Der Begriff der "Funktion" ist in jüngerer Vergangenheit insbesondere durch die Diskussion über die sog. Funktionsverlagerungsbesteuerung nach § 1 Abs. 3b n.F. (Rz. 1109 ff.) in den Betrachtungsfokus gerückt. Allgemein wird unter einer Funktion ein bestimmter betrieblicher Tätigkeitsbereich verstanden, der organisatorisch abgrenzbar und infolgedessen selbständig identifizierbar ist. § 1 Abs. 1 Satz 1 FVerlV versteht unter dem Begriff "Funktion" eine "Geschäftstätigkeit, die aus einer Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben besteht, die von bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens erledigt werden." (Rz. 1132).

 

Rz. 613

[Autor/Stand] Analyseschritte. Um die von einem Unternehmen ausgeübten Funktionen und deren Relevanz für die Gesamtwertschöpfung festzustellen sowie im Rahmen der Verrechnungspreisdokumentation beschreiben und begreiflich machen zu können, ist eine umfassende Untersuchung der von einem Unternehmen übernommenen Zuständigkeiten sowie der damit zusammenhängenden ausgeübten betrieblichen Tätigkeiten erforderlich. Die Funktionsanalyse ist daher – einfach ausgedrückt – zunächst nicht mehr als eine spezifische Sachverhaltsanalyse. Hierbei ist zwischen einer Gesamt- und einer Einzelfunktionsanalyse zu unterscheiden.

Abzugrenzen ist die Funktions- und Risikoanalyse nach § 1 Abs. 3 Satz 1 von der Analyse der sog. DEMPE-Beiträge bzw. -Funktionen im Rahmen des § 1 Abs. 3c. Die DEMPE-Funktionsanalyse ist mithin eine eigenständige Untersuchung, die der Ermittlung der Ertragsberechtigung an immateriellen Vermögenswerten dient: Die Zuordnung von Erträgen aus immateriellen Vermögenswerten richtet sich demzufolge nach den durch die Parteien übernommenen (i) Funktionen der Entwicklung, der Verbesserung, der Erhaltung, des Schutzes und der Verwertung, (ii) der Risiken sowie (iii) der entsprechenden Kontrolle dieser Funktionen und Risiken. Hierbei wird in erster Linie auf die aus der Ausübung der DEMPE-Funktionen resultierenden Wertschöpfungsbeiträge abgestellt; dies macht eine eigene, dezidierte Funktions- und Risikoanalyse erforderlich. Im Rahmen der OECD-Verrechnungspreisleitlinien (Tz. 6. 34 f.) ist für die Ermittlung der einzelnen DEMPE-bezogenen Analysepunkte ein sechsstufiger Untersuchungsgang vorgesehen[3]; zu Einzelheiten siehe Rz. 677.

 

Rz. 614

[Autor/Stand] Gesamtfunktionsanalyse. Die Gesamtfunktionsanalyse untersucht sämtliche von einem Unternehmen ausgeübte Funktionen (bspw. Produktion, Vertrieb, Logistik, Forschung und Entwicklung, Marketing etc.) und ihre wirtschaftliche Bedeutung für die Geschäftsbeziehungen zu anderen verbundenen Unternehmen ("macro-level analysis"). Sie orientiert sich im Regelfall an dem funktionalen Konzernaufbau, in welchem Konzernunternehmen systematisch in bestimmte Verantwortungsbereiche organisiert sind. In diesem Zusammenhang wird auch die rechtliche bzw. steuerkategorische Organisationsform des Unternehmens berücksichtigt (bspw. selbständiges Rechtssubjekt oder lediglich rechtlich unselbständige Betriebsstätte), da die mit der Ausübung verschiedener Funktionen verbundenen Entscheidungskompetenzen für die qualitative Gewichtung dieser Funktion bei der Unternehmenscharakterisierung relevant sind.[5] Ferner lassen sich aus diesen Feststellungen Rückschlüsse auf das Vorhandensein von Marktchancen und Marktrisiken des Unternehmens ziehen. Dies gilt insbesondere bei mehrstufigen Lieferungs- und Leistungsbeziehungen im Konzern. Die Resultate einer Gesamtfunktionsanalyse sind daher insbesondere im Hinblick auf die oben angesprochene Unternehmenscharakterisierung als "Entrepreneur" oder als "Routineunternehmen" von großer Bedeutung, welche darüber mitentscheidet, welche Verrechnungspreismethode zur Anwendung gelangen darf. Insoweit hat die Gesamtfunktionsanalyse (wie letztlich auch die Einzelfunktionsanalyse) auch zu berücksichtigen, welche wirtschaftlichen Risiken bei der Funktionsausübung vorhanden sind und welche wesentlichen (materiellen und immateriellen), erfolgsrelevanten Wirtschaftsgüter im Rahmen der Funktionsausübung zum Einsatz gelangen.

Die Gesamtfunktionsanalyse – in Tz. 7 der Anlage zu § 5 GAufzV auch "zusammenfassende Funktionsanalyse" genannt – dient gewissermaßen dazu, einen ersten Überblick über die Verteilung der wesentlichen (und damit für die Unternehmensgesamtwertschöpfung wichtigen) sog. "Schlüsselfunktionen" zu vermitteln. In der Praxis ist dies u.a. der Haupteinstieg der Finanzverwaltung in die Begutachtung eines Verrechnungspreissystems im Rahmen von steuerlichen Betriebsprüfungen.

 

Rz. 615

[Autor/Stand] Einzelfunktionsanalyse bei spezifischen Geschäftsvorfällen. Im Rahmen einer Einzelfunktionsanalyse werden spezifische Zuständigkeiten und Tätigkeitswahrnehmungen des Unternehmens im Rahmen eines einzelnen Geschäftsvorfalls untersucht. Der neue Gesetzeswortlaut in § 1 Abs. 3 Satz 2 sieht vor, dass die Funktionen und Risiken der "an dem Geschäftsvorfall beteiligten Personen" analysiert werden sollen;...

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