Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
Rz. 195
Funktionsnachweis. Die wiederum zu Einkünften aus aktivem Erwerb führende Ausnahme zu § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b entspricht in vollem Umfang der Ausnahmeregelung zu § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a und b (vgl. Anm. 137 ff.). Zu beachten ist allerdings, dass die typischen Mitwirkungsfälle hier und dort schon deshalb anders gelagert sind, weil sich Handel und Dienstleistung in ihren Funktionen deutlich unterscheiden. Aus diesem Grunde wurden von den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft und der Finanzverwaltung Musterfälle erarbeitet. Im Gegensatz zum Handelsbereich (vgl. Anm. 150 ff.) liegt allerdings für den Dienstleistungsbereich keine endgültige Meinungsäußerung der Finanzverwaltung vor. Deshalb sind die Lösungshinweise nur als eigene Vorschläge zu verstehen, die auf den Erfahrungen aufbauen, die in den Diskussionen mit der Finanzverwaltung gewonnen wurden:
Fälle 1–4: Transport
Rz. 196
Fall 1: Eine deutsche Muttergesellschaft hat eine ausländische Tochtergesellschaft. Letztere besitzt ein Schiff, dessen Mannschaft durch die deutsche Muttergesellschaft ihr überlassen wird. Die Tochtergesellschaft
- a) betreibt mit der Besatzung das Schiff im internationalen Verkehr (Linien-Schifffahrt, Trampdienst),
- b) verchartert das Schiff mit Mannschaft an ein unabhängiges Unternehmen,
- c) verchartert das Schiff mit Mannschaft an ein nahe stehendes Unternehmen.
Lösungshinweis: Es ist jeweils vorab zu prüfen, ob die Tochtergesellschaft überhaupt eine Dienstleistungstätigkeit ausübt. Dies wird man in allen 3 Alternativen bejahen müssen, weil auch die Vercharterung überwiegend Dienstleistungs- und weniger Vermietungsmerkmale trägt. Die anschließende Frage geht dahin, ob der Einsatz der Mannschaft das Merkmal des "Sich-Bedienens" eines unbeschränkt stpfl. Anteilseigners erfüllt. Da die Mannschaft eine unselbständige Tätigkeit ausübt, hängt die Antwort auf die Frage davon ab, wem die Tätigkeit der Mannschaft zuzurechnen ist. Die Überlassung durch die deutsche Muttergesellschaft spricht sicherlich für eine entsprechende Zuordnung. Jedoch wird man bedenken müssen, dass dieser Weg häufig nur aus rein äußerlichen Gründen gewählt wird (zB Fortdauer der Sozialversicherung, Pensionsverträge mit der Muttergesellschaft, Kündigungsschutz usw.). Wenn deshalb im Innenverhältnis die Tochtergesellschaft sämtliche Kosten erstattet, die der Muttergesellschaft aus Anlass der Anstellung der Mannschaft entstehen, so ist die Tochtergesellschaft wirtschaftlich als Arbeitgeber mit der Folge anzusehen, dass ein "Sich-Bedienen" der Muttergesellschaft ausscheidet. Dieser Lösungshinweis geht letztlich auf den Grundsatz zurück, dass es nicht Sinn des AStG sein kann, wirtschaftlich vernünftige Gestaltungen durch die Hinzurechnungsbesteuerung zu erfassen. Damit ergeben sich für die Alternativen a) und b) aktive Tätigkeiten, weil es an den Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a fehlt. In der Alternative c) kommt die Problematik des § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b hinzu. Unterstellt man, dass das nahe stehende Unternehmen im Inland stpfl. ist, so hängt der Hinzurechnungsbesteuerungstatbestand von der Ausnahmeregelung zur Ausnahme ab. Dazu kommt es auf die Mitwirkung der Muttergesellschaft an, wenn man den eingerichteten Geschäftsbetrieb und die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr für die Tochtergesellschaft unterstellt. Die Mitwirkung der Muttergesellschaft ist zu verneinen, wenn die Mannschaftsgestellung auf einer entsprechenden Funktionsverteilung beruht, die zwischen Mutter und Tochter von vornherein vereinbart wurde. Indiz für eine solche Funktionsverteilung kann das Entgelt sein, das die Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft für die Mannschaftsgestellung zahlt. Ein angemessenes Entgelt ist Indiz für die tatsächliche Durchführung der vereinbarten Funktionsteilung.
Rz. 197
Fall 2: Die ausländische Tochtergesellschaft bereedert und betreibt ein Schiff im internationalen Verkehr. Die Frachtenakquisition und der Einzug der Frachten erfolgen durch die Muttergesellschaft im Inland oder durch deren ausländische Betriebsstätten oder Hilfsgesellschaften.
Lösungshinweis: Die Dienstleistung der Tochtergesellschaft besteht in dem Transport von Gütern oder Personen per Schiff. Diese Dienstleistungstätigkeit wird von der Muttergesellschaft nicht erbracht. Die Muttergesellschaft wirkt vielmehr lediglich an Vorbereitungshandlungen und an Folgetätigkeiten der Tochtergesellschaft mit. Das bloße Mitwirken erfüllt hier noch nicht die Voraussetzungen des "Sich-Bedienens" (vgl. Anm. 181). Die Tochtergesellschaft bedient sich nicht der Muttergesellschaft, um Waren und Personen zu transportieren. Deshalb ist eine aktive Dienstleistungstätigkeit gegeben.
Rz. 198
Fall 3: Eine deutsche Muttergesellschaft hat eine ausländische Tochtergesellschaft. Letztere besitzt ein Schiff. Das Schiff wird an ein anderes Unternehmen mittelfristig verchartert. Der Chartervertrag wird von der Muttergesellschaft vorb...