Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
Rz. 104
Ausnahme: Betrieb mit Beteiligten. § 8 Abs. 1 Nr. 3 enthält eine Ausnahme zu der Ausnahme, dass der Betrieb von Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen zu Einkünften aus aktivem Erwerb führt. Als Rechtsfolge der Ausnahmeregelung ergeben sich Einkünfte aus passivem Erwerb. Die Ausnahmeregelung wurde durch das Gesetz zur Änderung des EStG, des KStG und anderer Gesetze v. 20.8.1980 (vgl. Anm. 4) eingefügt. Das entsprechende Änderungsgesetz trat am 29.8.1980 in Kraft. Es kann nur auf Sachverhalte angewendet werden, die nach dem 28.8.1980 tatbestandsmäßig verwirklicht wurden oder werden. Dies ist die Konsequenz aus dem Beschluss des BVerfG v. 14.5.1986. Die Regelung soll verhindern, dass Konzerne Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen im niedrig besteuernden Ausland mit der Folge gründen, die Funktionen für inländische Konzernunternehmen mit der Folge ausüben, dass die inländischen Gewinne durch entsprechende Aufwendungen geschmälert werden. Daraus wird deutlich, dass die EU-Rechtskonformität der Regelung überaus zweifelhaft ist. Im Klartext gesprochen bedeutet die Regelung, dass Konzerne keine Kreditinstitute oder Versicherungsunternehmen im niedrig besteuernden Ausland gründen sollen, die Bank- oder Versicherungsgeschäfte überwiegend innerhalb des Konzerns betreiben. Entsprechende Kreditinstitute oder Versicherungsunternehmen sollen nur entweder im hochbesteuernden Ausland oder im Inland betrieben werden. Dies ist ein mehr oder weniger eindeutiger Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit des Art. 49 AEUV. Zu beachten sind ferner die Beweislastfragen. § 8 Abs. 1 Nr. 3 enthält eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Betrieb von Banken und Versicherungen aktiv ist. Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Ausnahmevorschrift hat das FA nachzuweisen. Es trägt die objektive Beweis- oder Feststellungslast. Deshalb ist keineswegs das Fehlen einer Mitwirkung Nahestehender nachzuweisen. Allerdings kann das FA den Stpfl. in den Grenzen des § 90 Abs. 2 AO zur Mitwirkung bei der Sachverhaltsaufklärung auffordern. Die Verletzung der Mitwirkungspflicht kann eine Reduzierung des Beweismaßes zu Gunsten des FA auslösen. Insbes. kann das FA die Angemessenheit des Entgelts Nahestehender für deren Mitwirkung prüfen.
Rz. 105
Man muss die Ausnahmeregelung vor dem Hintergrund der Ausführungen zu Anm. 98 verstehen. Es war das erklärte Ziel des Gesetzgebers, mit der Änderung von § 8 Abs. 1 Nr. 3 die in dem BdF-Schreiben v. 10.1.1977 zu der steuerlichen Behandlung sog. konzerneigener Versicherungsgesellschaften vertretene Rechtsauffassung gesetzlich zu verankern. Dies verwundert deshalb, weil es sich letztlich um eine relativ unbedeutende Randfrage im Bereich der Hinzurechnungsbesteuerung handelt und der Gesetzgeber in anderen weitaus gewichtigeren Fragen keineswegs ein vergleichbares Streben nach gesetzlicher Klarstellung an den Tag legt. Gleichzeitig muss das Vorgehen des Gesetzgebers eigentlich zwangsläufig Zweifel an der Richtigkeit der in dem o.g. BdF-Schreiben vertretenen Rechtsauffassung auslösen. Andernfalls hätte ein Bedürfnis für eine Klarstellung durch den Gesetzgeber kaum bestanden. In der Sache selbst geht die gesetzliche Regelung über die in dem o.g. BdF-Schreiben enthaltene weit hinaus, weil sie auch für den Betrieb eines Kreditinstitutes gilt. Außerdem greift sie schon beim bloßen Überwiegen der konzerninternen Geschäfte ein und erfasst dann stets die gesamte Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft. Dies macht deutlich, dass der deutsche Gesetzgeber wieder einmal über das selbst gesteckte Ziel hinausgeschossen ist und auch Vorgänge erfasst, die mit einer missbräuchlichen Einkünfteverlagerung ins Ausland nichts zu tun haben. Eine solche Vorgehensweise wirft zwangsläufig Bedenken aus der Sicht des EU-Rechts auf.
Rz. 106
Geschäfte. In der Sache selbst bezieht sich der Begriff "Geschäfte" auf solche, die der Betrieb von Kreditinstituten oder Versicherungsunternehmen mit sich bringt. Es muss sich also um Geschäfte der in Anm. 87 ff. bzw. 97 ff. genannten Art handeln. Dazu zählen auch Rückversicherungsverträge. Die Geschäfte müssen mit unbeschränkt Stpfl., die nach § 7 an der ausländischen Gesellschaft beteiligt sind, oder solchen Stpfl. nahe stehenden Personen betrieben werden. Der Begriff "betreiben" ist in diesem Zusammenhang unscharf. Er ist i.S. einer Betätigung unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG zu verstehen und erfordert keine besondere Form der Mitwirkung des an der ausländischen Gesellschaft gem. § 7 Beteiligten an deren Geschäft. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob der Beteiligte bzw. die ihm nahe stehende Person als Geschäftspartner der ausländischen Gesellschaft auftritt. Dies ist der Fall, wenn er mit der ausländischen Gesellschaft den Vertrag abschließt, der inhaltlich das "Geschäft" i.S. der Anm. 87 ff. bzw. 97 ff. darstellt oder doch zumindest dessen Grundlage bildet. Im Einzelfall wird es ausreichen, wenn der Beteiligte bzw. die...