Prof. Dr. Jochen Lüdicke, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 776
Teilweise deklaratorische Regelung. Für Staaten, mit denen kein DBA besteht, ordnet § 34 c Abs. 3 EStG als unilaterale Maßnahme zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und (letzte) Auffangvorschrift den Abzug der ausländischen Steuern von Amts wegen an, soweit eine Anrechnung nach § 34 c Abs. 1 EStG mangels Erfüllung des Tatbestandes nicht in Betracht kommt. Im DBA-Fall ist aufgrund des grundsätzlichen Vorrangs des DBA gem. § 34 c Abs. 6 Satz 1 EStG der Anwendungsbereich des § 34 c Abs. 3 EStG gesperrt und ein Abzug der ausländischen Steuer nicht möglich. Die "Ausnahme" hierzu für DBA-Staaten stellt die Regelung des § 34 c Abs. 6 Satz 6 EStG dar. Danach ist ein Abzug der ausländischen Steuer möglich, soweit der DBA-Staat Einkünfte besteuert, die nicht aus diesem Staat stammen. Diese Rechtsfolge ergibt sich allerdings bereits auch unmittelbar aus § 34 c Abs. 3 Var. 2 EStG, ohne dass es dafür der gesonderten Anordnung durch § 34 c Abs. 6 Satz 6 Halbs. 1 EStG bedürft hätte. In Fällen der Besteuerung von Drittstaateneinkünften findet die Sperrwirkung des § 34 c Abs. 6 Satz 1 EStG ohnehin keine Anwendung, weil diese Einkünfte nicht aus dem DBA-Staat stammen. Folglich ist ein Tatbestand des § 34 c Abs. 6 Satz 1 EStG nicht erfüllt und die Norm mithin nicht einschlägig (s. Anm. 722). Soweit auf die Drittstaateneinkünfte das DBA mit dem Drittstaat anwendbar ist, eröffnet sich der Anwendungsbereich der Sätze 1–5, dh. ist Satz 6 nicht einschlägig. Insoweit beschränkt sich Satz 6 auf ganz eingegrenzte Fälle und stellt jedenfalls keine generelle Auffangnorm zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung dar. Zur (fehlenden) Sperrwirkung des § 34 c Abs. 6 Satz 1 EStG für den Fall, dass mit dem Drittstaat, aus dem die Einkünfte stammen, ebenfalls ein DBA geschlossen wurde (s. Anm. 779 f.).
Rz. 777
Einschränkung Abs. 3. Die Regelung stellt – trotz der Gesetzesformulierung in § 34 c Abs. 6 Satz 1 EStG – gesetzessystematisch keine Ausnahme zu § 34 c Abs. 6 Satz 1 EStG dar, sondern regelt (abschließend) die Abzugsmöglichkeit der ausländischen Steuer nach § 34 c Abs. 3 EStG in Konstellationen, in denen mit dem besteuernden Staat ein DBA besteht. Folglich ist die Regelung gesetzessystematisch als eine Einschränkung des § 34 c Abs. 3 EStG zu werten. Mit § 34 c Abs. 6 Satz 6 EStG hat der Gesetzgeber die Abzugsmöglichkeit auf den Fall der Besteuerung von Drittstaateneinkünfte beschränkt (§ 34 c Abs. 3 Var. 2 EStG). Die weiteren Anwendungsfälle des § 34 c Abs. 3 Var. 1 und 3 EStG finden bei Vorliegen eines DBA hingegen keine Anwendung.
Rz. 778
Maßgebliches Verhältnis zum besteuernden Staat. Voraussetzung für die Einschränkung des § 34 c Abs. 3 EStG durch die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 34 c Abs. 6 Satz 6 Halbs. 2 EStG ist, dass mit dem anderen Staat, dessen auf die Drittstaateneinkünfte erhobene Steuer nach § 34 c Abs. 3 EStG zum Abzug gebracht werden soll, ein DBA besteht. Irrelevant ist hingegen, ob mit dem Staat, aus dem nach deutschem Verständnis die Einkünfte stammen, ebenfalls ein DBA geschlossen wurde oder nicht. Im Ergebnis ist daher für die Beurteilung der Anwendbarkeit des § 34 c Abs. 6 Satz 6 EStG allein auf das Verhältnis zwischen Deutschland und dem die Steuer erhebenden Staat abzustellen, dh. dem Staat, der die Steuer auf die Drittstaateneinkünfte erhoben hat.
Rz. 779
Keine Sperrwirkung des Drittstaaten-DBA. Allerdings ist zu beachten, dass § 34 c Abs. 6 Satz 1 EStG einschlägig ist, soweit mit dem Staat, aus dem die Einkünfte stammen (Drittstaat) ein DBA besteht. Fraglich ist, ob der in § 34 Abs. 6 Satz 1 EStG gesetzlich angeordnete Ausschluss des § 34 Abs. 3 EStG nur relativ (im Verhältnis zwischen dem Drittstaat und Deutschland) für den Abzug der Steuern dieses Staates gilt oder absolut für alle auf die betroffenen Einkünfte erhobenen Steuern. Richtigerweise kann der Ausschluss nur relativ in Bezug auf die Steuern dieses Staates wirken. Zwar sieht der Wortlaut des § 34 c Abs. 6 Satz 1 EStG eine solche Einschränkung explizit nicht vor, sondern ordnet generell die Nichtanwendbarkeit der Abs. 1–3 für (alle) Steuern auf die jeweiligen Einkünfte an. Allerdings ist die Norm in dem vorliegend diskutierten Fall entsprechend teleologisch zu reduzieren. Denn nur in Bezug auf die Steuern des Drittstaates hält das den Vorrang beanspruchende DBA mit dem Drittstaat eine Regelung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bereit (s. Anm. 725). Die Gegenansicht, die bei einem Drittstaaten-DBA die Sperrwirkung des § 34 c Abs. 6 Satz 1 EStG absolut begreift, verneint die unmittelbare Anwendung des § 34 c Abs. 3 EStG und sieht in § 34 c Abs. 6 Satz 6 EStG eine echte Ausnahmeregelung zu § 34 c Abs. 6 Satz 1 EStG. Allerdings führt dies zu widersprüchlichen Ergebnissen, wenn mit dem die Drittstaateneinkünfte besteuernden Staat kein DBA besteht. Zur Verdeutlichung folgendes Beispiel.
Beispiel
Die Q-LP mit Sitz in Doha, Katar (Nicht-DBA-Staat), ist eine Tochtergesellsc...