Prof. Dr. Jochen Lüdicke, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
aa) Regelungsgehalt
Rz. 782
Erhöhte Anforderungen an Anrechnung. Der Gesetzgeber will als Reaktion auf die Rspr. zu den sog. "Missbrauchsfällen" (s. Anm. 775) den Abzug der ausländischen Steuer auf inländische bzw. Drittstaateneinkünfte nach § 34 c Abs. 3 EStG bei der Besteuerung durch einen DBA-Staat nur unter den verschärften Voraussetzungen des § 34 c Abs. 6 Satz 6 Halbs. 2 EStG zulassen. Daher ist ein Abzug der ausländischen Steuer nur möglich, soweit keine der beiden Ausschlussmerkmale des § 34 c Abs. 6 Satz 6 Halbs. 2 EStG einschlägig sind.
bb) Missbräuchliche Gestaltung
Rz. 783
Kausalität der Gestaltung. Die Besteuerung der Drittstaateneinkünfte im Ausland muss (ausschließlich) ihre Ursache in der vom Stpfl. gewählten Gestaltung haben. Folglich muss die Gestaltung kausal für die Besteuerung im Ausland sein. Sofern der ausländische Staat die Drittstaateneinkünfte auch ohne die vom Stpfl. gewählte Gestaltung einer Besteuerung unterwerfen würde, fehlt es an der erforderlichen Kausalität. In diesem Fall ist § 34 c Abs. 6 Satz 6 Halbs. 2 EStG nicht einschlägig, und die ausländische Steuer bei der Ermittlung der Einkünfte gem. § 34 c Abs. 3 EStG zu berücksichtigen.
Rz. 784
Unbestimmter Rechtsbegriff. Ein Abzug ausländischer Steuern auf Drittstaateneinkünfte ist nicht möglich, soweit die Besteuerung im Ausland ihre Ursache in einer "Gestaltung" hat. Bei dem Tatbestandsmerkmal der Gestaltung handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der im Gesetz nur hinsichtlich des Motivs der Gestaltung konkretisiert wird. Folglich ist der Begriff der Gestaltung durch Auslegung zu bestimmen, wobei dieser tendenziell eng und restriktiv auszulegen ist, da die Versagung des Steuerabzugs nach der Gesetzessystematik ("es sei denn") die Ausnahme zum grundsätzlich vorgesehenen Steuerabzug (§ 34 c Abs. 6 Satz 6 Halbs. 1 EStG) darstellt und andernfalls – bei extensiver Auslegung – die Versagung des Abzugs von der Ausnahme zur Regel würde. Ausgehend von der Gesetzesbegründung wollte der Gesetzgeber den Steuerabzug bei künstlichen Gestaltungen ausschließen. Daraus folgt, dass der Stpfl. bei mehreren Möglichkeiten sich bewusst für diese eine künstliche (i.S. von rechtsmissbräuchliche) Option entschieden hat. Eine solch künstliche Gestaltung wird regelmäßig in der rechtsmissbräuchlichen Zwischenschaltung von ausländischen Gesellschaften mit dem Ziel der Schädigung des deutschen Fiskus durch Gewinnverschiebung ins Ausland zu sehen sein. Für die Bestimmung einer Gestaltung als rechtsmissbräuchlich kann auf die Rspr. zu § 42 AO zurückgegriffen werden.
Rz. 785
Keine Begünstigung "verunglückter" Gestaltungen. Intention des Gesetzgebers war es, für missbräuchliche Gestaltungen dem Stpfl. die innerstaatliche Begünstigung durch Abzug der ausländischen Steuer zu entziehen. Die unilaterale Abzugsmöglichkeit der ausländischen Steuer gem. § 34 c Abs. 3 EStG bei der Ermittlung der Einkünfte stellt in Höhe der anteiligen Entlastung des Stpfl. einen einseitigen deutschen Steuerverzicht dar. Es würde ein falscher Anreiz geschaffen, wenn im Falle einer "verunglückten" Gestaltung – und nur dann kommt es zu einer Besteuerung im Inland – eine teilweise Entlastung von der ausländischen Steuer unter Verzicht auf das deutsche Besteuerungsrecht gewährt würde. Daher hat der Gesetzgeber mit Einfügung des § 34 c Abs. 6 Satz 6 Halbs. 2 Alt. 1 EStG im Falle der vorsätzlichen oder in Kauf genommenen Herbeiführung einer möglichen Doppelbesteuerung durch die rechtsmissbräuchliche, künstliche Verlagerung inländischer Einkünfte in das Ausland – wie in den vom BFH noch zur alten Rechtslage entschiedenen Fällen – dem Stpfl. die Gewährung der Begünstigung versagt. Im Ergebnis ist diese Versagung aufgrund des Verschuldens des Stpfl. auch als gerechtfertigt anzusehen.
Rz. 786
"Gründe". Aufgrund der Tatsache, dass der Gesetzgeber nur manche, im Gesetz positiv aufgezählte Gründe (wirtschaftliche und sonst beachtliche) als nicht missbräuchlich und damit als unschädlich qualifiziert hat, bedarf es der detaillierten Durchleuchtung der Motive und die mit der gewählten Gestaltung verfolgten Ziele des Stpfl. Die Versagung des Steuerabzugs gem. § 34 c Abs. 6 Satz 6 Halbs. 2 Alt. 1 EStG erfolgt immer dann, wenn die Ziele und Motive des Stpfl. hinsichtlich der Wahl dieser rechtlichen Gestaltung auf keine wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Gründe schließen lassen. Im Zweifel hat der Stpfl. die Motive für die von ihm gewählte Gestaltung und die damit verbundenen Ziele vorzutragen und (glaubhaft) nachzuweisen. Welche aus den Motiven und Zielen abgeleiteten Gründe nun jedoch als wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe zu subsumieren sind, wird im Gesetz nicht näher bestimmt. Es handelt sich bei den wirtschaftlichen und den sonstigen beachtlichen Gründen vielmehr um unbestimmte Rechtsbegriffe, die durch Rechtsprechung und Wissenschaft konkretisiert werden müssen. Aufgrund des identische...