Rz. 95
Keine Anwendung von § 50 i. § 50 i ist nach § 52 Abs. 48 Satz 1 EStG nicht anwendbar, wenn die Wirtschaftsgüter und Anteile i.S. des § 17 EStG vor dem 30.6.2013 aus dem Betriebsvermögen der Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 EStG bzw. des Besitzunternehmens i.S. des § 50 i Abs. 1 Satz 4 verkauft oder entnommen wurden. In diesen Fällen ist zu prüfen, ob vor dem Verkauf oder der Entnahme der Wirtschaftsgüter ein deutsches Besteuerungsrecht nach Maßgabe der BFH-Rspr. (Anm. 10) bestanden hat, oder ob die veräußerten bzw. entnommenen Wirtschaftsgüter bereits vorher entstrickt worden und damit ein deutsches Besteuerungsrecht verlorengegangen ist. Eine etwaige Entstrickung dieser Wirtschaftsgüter vor ihrem Verkauf bzw. ihrer Entnahme konnte durch § 50 i mangels zeitlicher Anwendbarkeit nicht verhindert werden (zur Sperrwirkung von § 50 i s. Anm. 49). Im Falle einer vorangegangenen Entstrickung der veräußerten bzw. entnommenen Wirtschaftsgüter hat Deutschland auch kein Besteuerungsrecht mehr am Veräußerungs- oder Entnahmegewinn. Es sollen die folgenden Fallkonstellationen unterschieden werden (Anm. 96 ff.):
Rz. 96
Veranlagungszeitraum der Entstrickung und Veranlagungszeitraum der Veräußerung/Entnahme sind bestandskräftig. Wenn der Veranlagungszeitraum der Entstrickung und der Veranlagungszeitraum der Veräußerung bereits bestandskräftig veranlagt sind, kann im Regelfall davon ausgegangen werden, dass eine Besteuerung nach Maßgabe der seinerzeitigen Rechtsauffassung der Finanzverwaltung vorgenommen wurde (Anm. 9), d.h. keine Besteuerung eines Entstrickungsgewinns, aber Besteuerung des Veräußerungsgewinns in Deutschland. In diesem Fall wird dasselbe Ergebnis wie bei Anwendung von § 50 i erzielt.
Rz. 97
Veranlagungszeitraum der Entstrickung ist bestandskräftig und Veranlagungszeitraum der Veräußerung/Entnahme ist noch nicht bestandskräftig. Wenn der Veranlagungszeitraum der Entstrickung bestandskräftig veranlagt ist, der Veranlagungszeitraum der Veräußerung/Entnahme aber noch offen bzw. noch nicht bestandskräftig veranlagt ist, wurden die Wirtschaftsgüter bzw. Anteile mangels Sperrwirkung von § 50 i im Zeitpunkt des Wegzugs, der Übertragung/Überführung oder der Umstrukturierung entstrickt (z.B. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG). Aufgrund der Entstrickung sind die Wirtschaftsgüter bzw. Anteile final aus der deutschen Besteuerungshoheit ausgeschieden. Das heißt, dass eine spätere Veräußerung dieser entstrickten Wirtschaftsgüter mangels inländischer Steuerverhaftung auch nicht besteuert werden kann. Dabei ist es unerheblich, ob die Entstrickung unter Aufdeckung der stillen Reserven besteuert wurde oder (rechtsfehlerhaft) unversteuert geblieben ist. Der Fiskus muss in diesen Fällen eine "steuerfreie" Entstrickung hinnehmen, wenn sich der Stpfl. auf die für ihn günstige BFH-Rspr. (Anm. 10) berufen sollte.
Rz. 98
Veranlagungszeitraum der Entstrickung und Veranlagungszeitraum der Veräußerung/Entnahme sind nicht bestandskräftig. Wenn der Veranlagungszeitraum der Entstrickung und der Veranlagungszeitraum der Veräußerung noch nicht bestandskräftig veranlagt sind, wird die Finanzverwaltung möglicherweise versuchen, eine seinerzeitige Entstrickung durch Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids nachträglich zu besteuern. Dies wäre zwar materiell-rechtlich zutreffend, stünde aber in klarem Widerspruch zu der seinerzeitig gültigen Erlasslage (Anm. 9). Die Anwendung der Entstrickungsvorschriften ist indes ausgeschlossen, wenn der Stpfl. eine verbindliche Auskunft dahingehend erteilt bekommen hat, dass im betreffenden Veranlagungszeitraum keine Entstrickung stattgefunden hat. Darüber hinaus sollte die Finanzverwaltung auch in anderen Fällen mit Blick auf den Vertrauensschutz i.S. des § 176 Abs. 2 AO daran gehindert sein, eine Entstrickungsbesteuerung im Zuge der Aufhebung oder Änderung des (vorläufigen) Steuerbescheids vorzunehmen. Eine Besteuerung des Veräußerungsgewinns ist nicht möglich, weil die veräußerten Wirtschaftsgüter aus der Besteuerungshoheit ausgeschieden sind.