Prof. Dr. Vassil Tcherveniachki
"Soweit nicht bereits die Voraussetzungen für die Versagung des Betriebsausgabenabzugs nach den vorstehenden Absätzen vorliegen, sind Aufwendungen auch insoweit nicht als Betriebsausgaben abziehbar, als die den Aufwendungen entsprechenden Erträge auf Grund deren vom deutschen Recht abweichender steuerlicher Zuordnung oder Zurechnung nach den Rechtsvorschriften anderer Staaten in keinem Staat einer tatsächlichen Besteuerung unterliegen."
Rz. 65
Allgemeines. § 4k Abs. 3 EStG setzt Art. 9 Abs. 2 Buchst. a i.V.m. Art. 2 Abs. 9 Unterabs. 1 Buchst. b (reverse hybrids), Buchst. c (diverted branch payments) und Buchst. d (disregarded branch structures) ATAD um. Mit dieser Regelung sollen insbesondere Konstellationen von weiteren D/NI-Inkongruenzen erfasst werden, die nicht bereits nach § 4k Abs. 1 und Abs. 2 EStG beseitigt werden. Damit kommt dem § 4k Abs. 3 EStG eine Auffangfunktion zu. In praktischer Hinsicht ist der Tatbestand der Vorschrift recht abstrakt formuliert, so dass die Frage nach dem Vorliegen einer Besteuerungsinkongruenz regelmäßig mit Auslegungsschwierigkeiten verbunden sein wird.
Rz. 66
Anwendungsbereich. Anders als § 4k Abs. 1 und Abs. 2 EStG ist diese Regelung nicht einkunfts-, sondern subjektbezogen anzuwenden. Während § 4k Abs. 2 EStG typischerweise (fiktive) Zahlungen von hybriden Rechtsträgern oder Betriebsstätten erfasst, ist § 4k Abs. 3 EStG in der Regel auf Zahlungen an hybride Rechtsträger oder Betriebsstätten anzuwenden. Unter § 4k Abs. 3 EStG fallen – wie unter § 4k Abs. 2 EStG (und anders als § 4k Abs. 1 EStG) – sämtliche Einkunftsarten. Gegenstand von § 4k Abs. 3 EStG sind sog. umgekehrt hybride Rechtsträger (reverse hybrid), die im Staat ihrer Errichtung als transparente und im Staat der unmittelbar oder mittelbar Beteiligten als intransparente Rechtsträger qualifiziert werden. Ferner soll die Vorschrift auch Besteuerungsinkongruenzen auf Grund einer abweichenden Zuordnung von Erträgen zu einzelnen Unternehmensteilen (Betriebsstätten) beseitigen. Damit setzt die Anwendung des § 4k Abs. 3 EStG das Vorliegen eines Qualifizierungs- oder Zurechnungskonfliktes voraus. Auf die "Art" der abweichenden Behandlung kommt es insoweit nicht an.
Rz. 67
Keine tatsächliche Besteuerung. Nach § 4k Abs. 3 EStG wird der Betriebsausgabenabzug insoweit versagt, als die den Aufwendungen entsprechenden Erträge weder im Ansässigkeitsstaat des reverse hybriden Vergütungsgläubigers noch im Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter/Beteiligten dieses Vergütungsgläubigers einer tatsächlichen Besteuerung unterliegen. Ausweislich des Gesetzeswortlauts muss die tatsächliche Nichtbesteuerung ausschließlich auf eine vom deutschen Recht abweichende steuerliche Zurechnung oder Zuordnung zurückzuführen sein. Damit muss die Abweichung von der deutschen Zuordnung oder Zurechnung kausal für die Nichtbesteuerung sein. Beruht die tatsächliche Nichtbesteuerung auf anderen Gründen, kommt es nicht zur Anwendung der Vorschrift. Infolgedessen liegt keine schädliche Nichtbesteuerung vor, wenn die betreffenden Erträge mit Verlusten verrechnet werden oder der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen. Von einer schädlichen Nichtbesteuerung ist auch dann auszugehen, wenn die Erträge in zwei Drittstaaten nicht besteuert werden, weil ein Zurechnungs- bzw. Zuordnungskonflikt zwischen den betreffenden Staaten vorliegt. In diesem Fall ist die Abweichung von der deutschen Zuordnung oder Zurechnung nicht kausal für die Nichtbesteuerung.
Rz. 68
Ausnahmeregelung. § 4k Abs. 3 EStG enthält keine dem § 4k Abs. 2 Satz 3 EStG vergleichbare Ausnahme für doppelt berücksichtigte Erträge. Auch die Gesetzesbegründung enthält keine Hinweise auf eine Ausnahme i.S.d. § 4k Abs. 2 Satz 3 EStG. In den von § 4k Abs. 3 EStG erfassten Konstellationen können in der Regel keine doppelt berücksichtigten Erträge entstehen. Daher ist generell fraglich, ob eine Ausnahme i.S.d. § 4k Abs. 3 EStG überhaupt erforderlich ist. Im Ausnahmefall wäre aber eine analoge Anwendung des § 4k Abs. 2 Satz 3 EStG geboten.
Rz. 69
Beispiel (Umgekehrte hybride Rechtsträger (Revers Hybrid)). 18
Die in den USA ansässige US-Corp. hält sämtliche Anteile an der in Deutschland ansässigen D-GmbH & Co. KG. Die D-GmbH & Co. KG wird in Deutschland als steuerlich transparent behandelt; im Check-the-box-Verfahren wird die D-GmbH & Co. KG in den USA steuerlich als Kapitalgesellschaft behandelt (sog. umgekehrt hybrider Rechtsträger bzw. Reverse Hybrid). Die D-GmbH & Co. KG vergibt ein Darlehen an die in Frankreich ansässige F-S.A. Die D-GmbH & Co. KG begründet in Deutschland annahmegemäß keine Betriebsstätte.
Die Zinszahlungen sind in Frankreich abzugsfähig. Soweit die D-GmbH & Co. KG keine Betriebsstätte der US-Corp. in Deutschland begründet, wird die Zinszahlung weder in Deutschland noch in den USA (die Voraussetzungen für eine Hinzurechnungsbesteuerung in den USA sind annahmegemäß nicht erfüllt)...