Dr. Nils Häck, Dr. Julian Böhmer
Rz. 409
Zivilrechtliche Grundlagen. Hinterlässt der Erblasser mehrere Erben, so wird der Nachlass gemeinschaftliches Vermögen der Erben (§ 2032 Abs. 1 BGB). Nach dem Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge geht das Vermögen, einschließlich etwaiger Anteile i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz EStG, ungeteilt als Ganzes auf eine aus den Miterben bestehende, gesetzliche begründete Gesamthandsgemeinschaft in Form der Erbengemeinschaft über. Aus der Berechtigung der Miterben zur "gesamten Hand" an den Nachlassgegenständen (z.B. Kapitalgesellschaftsanteilen) folgt eine gemeinschaftliche Berechtigung der Miterben an dem (ganzen) Gegenstand, wobei die Berechtigung eines jeden Miterben an dem ganzen Gegenstand durch die gleiche Berechtigung der übrigen Beteiligten eingeschränkt wird. Zivilrechtlich bestehen daher keine rechnerischen Beteiligungsquoten des einzelnen Beteiligten an dem gemeinschaftlichen Gegenstand, solange die gesamthänderische Bindung besteht. Hierin liegt der Unterschied der Gesamthandsgemeinschaft zur Bruchteilsgemeinschaft, an der jederzeit der reale oder ideelle Anteil eines jeden Beteiligten an dem gemeinschaftlichen Gegenstand festgestellt werden kann. Die Mitberechtigung zur gesamten Hand wird erst durch Auseinandersetzung (§ 2042 BGB) beendet. Hiermit ist die Beendigung der nicht auf Dauer angelegten Erbengemeinschaft durch Aufteilung der nach Tilgung der Nachlassverbindlichkeiten noch vorhandenen einzelnen Nachlassgegenstände verbunden. Durch den dinglichen Vollzug der Auseinandersetzung wird erstmals Alleineigentum des jeweiligen Miterben an dem oder den ihm zugewiesenen Nachlassgegenständen begründet. Nach dem gesetzlichen Leitbild, von denen der Erblasser bzw. die Miterben abweichen können, sind zunächst die Nachlassverbindlichkeiten zu tilgen (§ 2046 Abs. 1 BGB). Der Erblasser kann der Auseinandersetzung durch sog. Teilungsanordnungen (§ 2048 BGB) die Aufteilung vorgeben. Teilungsanordnungen sind nur im Verhältnis der Miterben zueinander wirkende letztwillige Regelungen des Erblassers über die Zuweisung bestimmter Nachlassgegenstände im Rahmen der Erbauseinandersetzung. Der Erblasser bestimmt, wie die Auseinandersetzung nach dem Eintritt des Erbfalls unter den Erben erfolgen soll oder er beauftragt einen Dritten, die Auseinandersetzung nach billigem Ermessen vorzunehmen. Teilungsanordnungen wirken nur schuldrechtlich. Sie führen insbesondere nicht zu einer Sondererbfolge an einzelnen Nachlassgegenständen. Die Miterben haften für die gemeinschaftlichen Nachlassverbindlichkeiten im Außenverhältnis gesamtschuldnerisch (§ 2058 BGB). Die Haftung besteht neben der gesamthänderischen Haftung der gesamten Erbengemeinschaft (§ 2059 Abs. 2 BGB) und kann über den Zeitpunkt der Teilung der Erbengemeinschaft andauern.
Rz. 410
Tatbestandsverwirklichung (Grundlagen). Für die Beurteilung, welche Sachverhalte im Zusammenhang mit dem Erwerb von Kapitalgesellschaftsanteilen durch gesamthänderisch verbundene Miterben und eine sich anschließende Erbauseinandersetzung tatbestandlich i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 relevant sind, ist einerseits zu sehen, dass ertragsteuerrechtlich den Miterben trotz deren zivilrechtlicher Stellung als Gesamthänder gem. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO die gesamthänderisch gebundenen Kapitalgesellschaftsanteile i.S.v. § 17 EStG anteilig (wie bei einer Bruchteilsgemeinschaft) zugerechnet werden. Sind Kapitalgesellschaftsanteile Bestandteil des Nachlasses, erwerben die Miterben ertragsteuerrechtlich einen entsprechenden Anteil am Kapitalgesellschaftsanteil (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO). Im Rahmen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bliebe der Erwerb durch die Erbengemeinschaft aber ohne Bedeutung, wenn Erbanfall und Erbauseinandersetzung einheitlich zu betrachten wären, es letztlich nur darauf ankäme, ob der oder die nach Erbauseinandersetzung die Anteile haltende(n) Erbe(n) in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist (sind). Nach Verwaltungsauffassung und Rechtsprechung des BFH bilden aber der Erbanafall bei der Erbengemeinschaft einerseits und die Erbauseinandersetzung der Miterben andererseits einkommensteuerrechtlich keine Einheit, sondern sind separat zu beurteilende Sachverhalte. Dies gilt dann grds. auch für die Anwendung von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2. Etwas anderes wäre anzunehmen, wenn ertragsteuerrechtlich das wirtschaftliche Eigentum i.S.v. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO an einem Kapitalgesellschaftsanteil trotz zivilrechtlichen Erwerbs über die Erbengemeinschaft einem Miterben unmittelbar nach dem Erbfall zuzurechnen wäre. Dies ist aber selbst bei einer Teilungsanordnung grds. nicht der Fall. Gleichwohl lässt der BFH offenbar eine Zurechnung der Anteile zu dem durch die Teilungsanordnung Begünsten ab dem Erbfall zu. Dennoch wird man von einem steuerrechtlich (dann aber nur) kurzfristigen ("logische Sekunde") Durchgangserwerb der Erbengemeinschaft ausgehen müssen. Vor diesem Hintergrund kann sowohl der Erbanfall (dazu unter Rz. 411) als auch die...