Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
... über die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben ...
Rz. 91
Die nach § 16 Abs. 2 i.V.m. § 95 AO abzugebende eidesstattliche Versicherung bezieht sich sowohl auf die Richtigkeit als auch auf die Vollständigkeit der Angaben i.S. von § 16 Abs. 1. Trotz des klaren Gesetzestextes ist zu beachten, dass § 16 Abs. 2 nur den Rahmen gibt, innerhalb dessen das FA eidesstattliche Versicherungen abverlangen kann. Ob der Steuerpflichtige letztlich die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben an Eides Statt versichert, ist eine Frage der im Einzelnen tatsächlich abgegebenen Erklärung. Wird dem Steuerpflichtigen nur die in § 95 Abs. 3 Satz 2 AO vorgeschriebene Erklärung: "Ich versichere an Eides Statt, dass ich nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt habe" abverlangt, so ist zumindest zweifelhaft, ob eine solche Erklärung auch die Glaubhaftmachung der Vollständigkeit umfasst. Verneint man dies, so kann folgerichtig die in § 95 Abs. 3 Satz 2 AO geforderte Erklärung im Rahmen von § 16 Abs. 2 nicht maßgebend sein. Die Erklärung ist vielmehr an die Bedürfnisse des § 16 Abs. 2 anzupassen und etwa wie folgt zu formulieren: "Ich versichere an Eides Statt, dass ich meine Angaben nach bestem Wissen, vollständig und richtig gemacht habe" (vgl. aber auch Rz. 93).
Rz. 92
Eidesstattliche Versicherung und Vollständigkeit der Angaben. Während der Steuerpflichtige nach § 95 AO nur die Richtigkeit seiner Angaben an Eides Statt zu versichern hat, kommt der lex-specialis-Charakter von § 16 Abs. 2 u.a. dadurch zum Ausdruck, dass sich hier die eidesstattliche Versicherung auch auf die Vollständigkeit der Angaben erstreckt. Dies entspricht dem Bedürfnis der Praxis, weil Gewinnverlagerungen häufig nicht nur auf falschen, sondern ebenso auf lückenhaften Angaben beruhen. Allerdings bezieht sich die eidesstattliche Versicherung i.S. von § 16 Abs. 2 ebenso wie die nach § 95 AO nur auf Tatsachen und nicht auf Rechtsansichten. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil die nach § 16 Abs. 1 offenzulegenden Beziehungen häufig Rechtsverhältnisse sein werden. Die mit jedem Rechtsverhältnis verbundene rechtliche Würdigung bestimmter Geschehensabläufe ist nicht Gegenstand der eidesstattlichen Versicherung.
... und über die Behauptung, daß ihm Tatsachen nicht bekannt sind, ...
Rz. 93
Die nach § 16 Abs. 2 abzugebende eidesstattliche Versicherung ist zweiteilig. Während der Steuerpflichtige einerseits die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben zu bekräftigen hat, soll er andererseits in einer Art Negativattest bestätigen, dass ihm weitere Tatsachen nicht bekannt sind. Das Verlangen des FA auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung wird sich i.d.R. auf beide Teile beziehen. Das FA wird allerdings ebenso sein Verlangen auf einen Teil begrenzen können. Ob das FA dies tut, ist eine Frage der im Einzelnen noch nicht glaubhaft gemachten Tatsachen. Diese Frage hat das FA nach freiem Ermessen zu entscheiden. Die Entscheidung ist als Ermessensentscheidung von den Gerichten nachprüfbar. Unter diesem Aspekt ist das Wort- "und" i.S. von "und/oder" zu verstehen. Die Behauptung des Steuerpflichtigen, dass ihm weitere Tatsachen nicht bekannt sind, kann sich sowohl auf konkrete Tatsachen beziehen, bezüglich derer der Steuerpflichtige vom FA befragt worden ist. Die Behauptung kann aber ebenso i.S. einer Vollständigkeitserklärung aufzufassen sein, dass nämlich der Steuerpflichtige alle ihm bekannten Tatsachen mitgeteilt hat. Im Zweifel wird die entsprechende Erklärung des Steuerpflichtigen sowohl in dem einen als auch gleichzeitig in dem anderen Sinne verstanden werden müssen. Im Hinblick auf die in § 95 Abs. 3 Satz 2 AO vorgeschriebene Erklärungsformel sowie im Hinblick auf die Ausführungen zu Rz. 91 ist allerdings auch hier darauf zu achten, dass § 16 Abs. 2 nur den Umfang festlegt, innerhalb dessen das FA die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verlangen kann. Es ist letztlich eine Frage, wie die eidesstattliche Versicherung tatsächlich formuliert ist, wenn man sicherstellen will, dass der nach § 16 Abs. 2 mögliche Rahmen auch in vollem Umfange ausgeschöpft worden ist. Deshalb wird man im Einzelfall die in Rz. 91 vorgeschlagene Formel noch ergänzen und etwa wie folgt formulieren müssen: "Ich versichere an Eides Statt, dass ich meine Angaben nach bestem Wissen der Wahrheit entsprechend, vollständig und richtig gemacht habe und dass mir weitere Tatsachen (evtl. konkret zu benennen) nicht bekannt sind".