Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 718
Einbeziehung von Vergleichswerten mehrerer (Vor-)Jahre. Tz. 3.75 bis 3.79 OECD-Leitlinien behandeln die Einbeziehung von Daten mehrerer Jahre in die Vergleichbarkeitsanalyse. In der Verrechnungspreispraxis werden Vergleichbarkeitsanalysen vielfach auf mehrere Jahre bezogen, um die Verlässlichkeit der abgeleiteten methodenspezifischen Vergleichswerte zu erhöhen. Weder nach den OECD-Leitlinien noch nach den VWG VP ist eine solche Mehrjahresanalyse jedoch zwingend vorgegeben. Nach Tz. 3.75 OECD-Leitlinien sind Mehrjahresanalysen zwar hilfreich, jedoch kein systematisches Erfordernis. Vielmehr ist nach den OECD-Leitlinien bezogen auf den jeweiligen Einzelfall darüber zu entscheiden, ob durch die Verwendung von Mehrjahresdaten der Wert der Vergleichbarkeitsanalyse und damit die Verlässlichkeit der Ergebnisse erhöht werden. Dementsprechend sind nach Rz. 3.21 VWG VP 2023 Mehrjahresanalyen und die Verwendung von Durchschnittswerten, die aus Vergleichswerten mehrerer Vorjahre bestimmt wurden, zulässig, wenn dies zu einer besseren Qualität der Vergleichswerte führt als die Betrachtung von Vergleichswerten nur eines Wirtschaftsjahres. Dies bedeutet allerdings nicht, dass Vergleichbarkeitsanalysen unter Verwendung von Daten lediglich einzelner Wirtschaftsjahre für die Beurteilung der Angemessenheit von Verrechnungspreisen nicht ausreichend seien bzw. deren Verwertbarkeit für Zwecke der Angemessenheitsdokumentation nach § 90 Abs. 3 AO und der GAufzV per se beeinträchtigt wäre. Richtigerweise müssen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass durch eine Mehrjahresanalyse die Zuverlässigkeit der Vergleichbarkeitsanalyse erhöht wird. Regelmäßig ist die Durchführung von Mehrjahresanalysen darauf gerichtet, Einmal- und Sondereffekte, wie z.B. besondere Verlust- oder Gewinnsituationen, zu identifizieren und zu eliminieren und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des konkreten Geschäftsvorfalls (z.B. Produktlebens- und Konjunkturzyklen) zu verstehen.
Rz. 719
Kein maßgeblicher Mehrjahreszeitraum. Weder die OECD-Leitlinien noch die VWG VP regeln Grundsätze, nach denen eine Mehrjahresanalyse durchgeführt werden kann. Tz. 3.75 OECD-Leitlinien weist in diesem Zusammenhang sogar ausdrücklich darauf hin, dass es nicht zweckmäßig sei, hinsichtlich der von einer Mehrjahresanalyse abzudeckenden Anzahl von Jahren verbindliche Leitlinien zu bestimmen. In der Verrechnungspreispraxis wird zum einen darauf hingewiesen, dass sich Zeiträume von drei bis fünf aufeinanderfolgenden Jahren als aussagefähig erwiesen hätten. Zum anderen werden für die mittels Mehrjahresanalysen bezweckte Glättung konjunktureller und branchenspezifischer Marktzyklen ein Dreijahreszeitraum als Regelfall und in Fällen längerer Marktzyklen ein Fünfjahreszeitraum als begründungsbedürftiger Ausnahmefall angeführt. Schließlich wird für Deutschland eine Orientierung an konkreten Betriebsprüfungszeiträumen von drei bis vier Jahren festgestellt, wobei diese Praxis weniger einer ökonomischen Rechtfertigung im Hinblick auf konkrete Markt-, Branchen- und Produktlebenszyklen als vielmehr dem Umstand geschuldet sein sollte, dass Aufzeichnungen nach § 90 Abs. 3 AO und der GAufzV in Deutschland vielfach für Betriebsprüfungszwecke erstellt werden. Anhaltspunkte für Beobachtungszeiträume von drei bis fünf Jahren können auch der Rechtsprechung des BFH in den Urteilen vom v. 17.2.1993 und 17.10.2001 zur Anerkennung von Anlaufverlusten bei Vertriebsgesellschaften entnommen werden, die von der Erzielung eines "angemessenen" Totalgewinns innerhalb eines – vom BFH nicht näher quantifizierten – überschaubaren Kalkulationszeitraums abhängig gemacht wird, wobei dieser Kalkulationszeitraum in der Literatur mit fünf Jahren angenommen wird. Ferner bestehen im Hinblick auf die mittels Mehrjahresanalysen intendierte angemessene Berücksichtigung von konjunkturellen Einflüssen, Produktlebenszyklen, Risiken, besonderen Kosteneinflüssen und Geschäftsstrategien Bezüge zur Bestimmung des Kapitalisierungszeitraums bei Bewertungen von Unternehmen, immateriellen Werten und Transferpaketen im Rahmen von Funktionsverlagerungen nach anerkannten ertragswertbasierten oder DCF-Bewertungsverfahren. Im Zusammenhang mit der Bewertung von Transferpaketen nach ertragswertbasierten Bewertungsverfahren wird abweichend von dem nach § 6 FVerlV vorgegebenen unbegrenzten Kapitalisierungszeitraum ein zeitlich begrenzter Kapitalisierungszeitraum von drei bis fünf Jahren mit der Berücksichtigung zeitlicher Aspekte wie Produktlebenszyklen, technische Entwicklungen, Absatzmarktänderungen, Bedarfswandlungen am Markt etc. begründet (vgl. Rz. 1277 ff.). Schließlich weisen Beobachtungszeiträume von drei bis fünf Jahren eine gewisse internationale Üblichkeit auf. Die Empfehlungen des EU-JTPF, auf die sich Rz. 3.21 der VWG VP 2023 ausdrücklich bezieht, beruht dementsprechend darauf, dass der maßgebliche Mehrjahreszeitraum zwar von den Umständen des Einzelfalls abhäng...