Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 830
Mehrjahresanalysen. Bei Anwendung der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode finden sich in der Praxis meist Mehrjahresanalysen bei der Ableitung vergleichbarer Nettomargen. Allerdings werden solche Mehrjahresanalysen weder von den OECD-Leitlinien noch den VWG-VP zwingend vorgeschrieben. Vielmehr wird mit den Formulierungen "ist es häufig nützlich" oder "kann es ... zweckmäßig sein" auf die zwar generelle Vorteilhaftigkeit einer Mehrjahresanalyse abgestellt, wobei jedoch im konkreten Einzelfall begründete Abweichungen möglich sind. Grundsätzlich werden Mehrjahresanalysen durchgeführt, um außergewöhnliche Effekte (z.B. einmalige Verluste oder bilanzpolitisch motivierte hohe Gewinne in einem Jahr) identifizieren und ggf. im Rahmen einer Durchschnittsbildung eliminieren zu können. Zudem hilft eine Mehrjahresanalyse beim Verständnis der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen von Geschäften (z.B. Konjunkturzyklen). Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht sinnvoll, eine generelle Vorgabe im Hinblick auf die Anzahl der einzubeziehenden Jahre zu machen, sondern dies abhängig vom jeweiligen Sachverhalt zu entscheiden. Als allgemeiner Erfahrungswert kann zumindest auf Beobachtungszeiträume von drei bis fünf Jahren hingewiesen werden.
Rz. 831
Durchschnittsbetrachtung. Basierend auf einer Mehrjahresanalyse werden meist Durchschnittsbetrachtungen angestellt. Eine solche Durchschnittsbetrachtung wird zwar wiederum als nicht zwingend sowohl von den OECD-Leitlinien als auch den VWG-VP angesehen, gleichwohl wird konzediert, dass aufgrund einer Durchschnittsbetrachtung die Zuverlässigkeit einer durch tatsächlichen Fremdvergleich ermittelten Bandbreite verbessert werden kann. Nicht geregelt ist, wie die Durchschnittsbetrachtung im Einzelnen erfolgen soll. Der Durchschnitt kann nämlich ungewichtet oder gewichtet ermittelt werden. Anhand folgenden Beispiels wird deutlich, dass sich die Ergebnisse dann durchaus unterscheiden können:
Vergleichsunternehmen |
EBIT (in 1.000 EUR) |
Op. Revenue (in 1.000 EUR) |
Net Margin |
Average |
2008 |
2007 |
2006 |
2005 |
2008 |
2007 |
2006 |
2005 |
2008 |
2007 |
2006 |
2005 |
Average |
Weighted Average |
A |
346 |
227 |
142 |
344 |
14.819 |
15.790 |
15.486 |
14.544 |
2,3 % |
1,4 % |
0,9 % |
2,4 % |
1,8 % |
1,7 % |
B |
115 |
106 |
85 |
146 |
6.254 |
6.025 |
5.439 |
5.692 |
1,8 % |
1,8 % |
1,6 % |
2,6 % |
1,9 % |
1,9 % |
C |
81 |
70 |
47 |
45 |
1.177 |
1.212 |
1.002 |
902 |
6,8 % |
5,7 % |
4,7 % |
4,9 % |
5,6 % |
5,6 % |
D |
180 |
116 |
108 |
101 |
2.000 |
2.015 |
1.473 |
1.281 |
9,0 % |
5,7 % |
7,3 % |
7,8 % |
7,5 % |
7,4 % |
E |
117 |
122 |
125 |
117 |
1.530 |
1.744 |
1.629 |
1.580 |
7,6 % |
7,0 % |
7,7 % |
7,4 % |
7,4 % |
7,4 % |
F |
18 |
20 |
26 |
15 |
1.103 |
1.250 |
1.067 |
994 |
1,6 % |
1,6 % |
2,4 % |
1,5 % |
1,8 % |
1,8 % |
G |
9 |
246 |
151 |
221 |
1.380 |
1.920 |
2.017 |
1.901 |
0,7 % |
12,8 % |
7,5 % |
11,6 % |
8,1 % |
8,7 % |
H |
166 |
204 |
270 |
67 |
1.540 |
1.371 |
1.113 |
910 |
10,7 % |
14,9 % |
24,3 % |
7,3 % |
14,3 % |
14,3 % |
I |
213 |
181 |
73 |
32 |
2.742 |
2.565 |
2.106 |
1.699 |
7,8 % |
7,1 % |
3,4 % |
1,9 % |
5,0 % |
5,5 % |
J |
50 |
43 |
11 |
9 |
1.546 |
1.108 |
578 |
399 |
3,2 % |
3,8 % |
1,8 % |
2,3 % |
2,8 % |
3,1 % |
Es lässt sich keine eindeutige Antwort auf die Frage finden, ob der ungewichtete oder gewichtete Durchschnitt als Vergleichsgröße heranzuziehen ist. In dem in Tz. 3.4.12.5 Buchst. d VWG-Verfahren gebildeten Beispiel wurde jedenfalls auf den ungewichteten Durchschnitt abgestellt. Auch international finden sich häufig ungewichtete Durchschnitte. Somit wird die Nettomarge jedes Jahres als ein Einzelereignis betrachtet. Es gibt jedoch auch gute Gründe, den gewichteten Durchschnitt heranzuziehen. Wenn in dem obigen Beispiel die relevante Frage ist, wie viel EBIT auf einen Euro des Umsatzes für die Gesamtperiode 2005 bis 2008 entfällt, so muss der gewichtete Durchschnitt gebildet werden. Der Unterschied besteht also darin, ob eine Periode (hier 2005 bis 2008) als eine Einheit betrachtet wird (= gewichteter Durchschnitt) oder ob mehrere Einzelereignisse einer Periode herangezogen werden (= ungewichteter Durchschnitt).
Rz. 832
Bandbreite. Bei der Ermittlung von Vergleichswerten im Wege des tatsächlichen Fremdvergleichs ergibt sich regelmäßig eine Bandbreite von Preisen, Aufschlagsätzen oder Margen. Dass bei vergleichbaren Leistungen unterschiedliche Preise, Aufschlagsätze oder Margen realisiert werden, erklärt sich insbesondere durch die Unvollkommenheit der Märkte. Mangelndes rationales Verhalten der Marktteilnehmer, eine eingeschränkte Markttransparenz, Beschränkungen beim Marktzutritt, Transaktionskosten usw. führen dazu, dass die Modellbedingungen des vollkommenen Markts nicht gegeben sind und insofern kein einheitlicher Preis für eine vergleichbare Leistung am Markt vorzufinden ist. Dass es "den ‚einen‘ angeblich richtigen Fremdvergleichspreis " nicht gibt, sondern dass bei Anwendung des tatsächlichen Fremdvergleichs meist Bandbreiten vorliegen, wird auch von den Finanzbehörden anerkannt. Steuerlich ist zu klären, welchen Wert der Steuerpflichtige aus der identifizierten Bandbreite für seine Verrechnungspreisermittlung heranziehen soll.
Rz. 833
Uneingeschränkte Vergleichbarkeit. Die Auswahl des...