Dr. Nils Häck, Dr. Julian Böhmer
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„2. die unentgeltliche Übertragung auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person sowie, ...” |
Rz. 365
Überblick. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 erweitert die Wegzugsbesteuerung auf Fälle der "unentgeltlichen Übertragung" der Anteile i.S.v. § 17 Abs. 1 EStG durch den unbeschränkt Steuerpflichtigen i.S.v. § 6 Abs. 2 "auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person". Aus Sicht des Gesetzgebers macht die Erweiterung Sinn, insbesondere wenn die grenzüberschreitende unentgeltliche Übertragung der Anteile dazu führt, dass der deutsche Steuerzugriff auf die stillen Reserven in den Anteilen ausgeschlossen oder beschränkt wird. Der Tatbestand setzt eine Einschränkung des Besteuerungsrechts aber nicht voraus (s. Rz. 372). Die allgemeinen, für sämtliche wegzugsteuerrelevanten Tatbestände i.S.v. § 6 Abs. 1 geltenden Voraussetzungen (Anteilsinhaber ist natürliche Person und unbeschränkt Steuerpflichtiger i.S.v. § 6 Abs. 2, Anteil i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG) müssen in der Person des "Übertragenden" erfüllt sein (ausf. Rz. 300 ff.). Zur Frage, wann der Steueranspruch nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 entsteht s. Rz. 498. Nach der Wortlautauslegung und dem Willen des Gesetzgebers hat der Tatbestand überschießende Tendenzen, soweit er auch Sachverhalte erfasst, durch die das deutsche Besteuerungsrecht an den Gewinnen aus der Veräußerung der Anteile weder ausgeschlossen noch beschränkt wird (s. Rz. 372). Die hiergegen erhobenen verfassungsrechtlichen wie europarechtlichen Bedenken hat der BFH zu § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a.F. nicht geteilt.
Rz. 366
Entstehungsgeschichte. Unentgeltliche Übertragungen von Anteilen i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG waren von § 6 Abs. 1 in seiner ursprünglichen Fassung von 1972 (s. Rz. 3) nur in Form von Übertragungen der Anteile durch unentgeltliches Rechtsgeschäft unter Lebenden auf nicht unbeschränkt steuerpflichtige Personen erfasst (§ 6 Abs. 3 Nr. 1 AStG 1972). Wurde Wegzugssteuer ausgelöst, war die Steuer auf Antrag zu ermäßigen oder zu erlassen, wenn für die unentgeltliche Übertragung Erbschaftsteuer zu entrichten war. Mit der Neufassung des § 6 durch das SEStEG wurden auch Erwerbe von Todes wegen einbezogen mit der (zutreffenden) Begründung, auch in Erbfällen drohe der Verlust des deutschen Besteuerungsrechts an den Gewinnen aus der Veräußerung. Zuvor war die Ausklammerung von Erbfällen noch damit begründet worden, es handele sich um ein "nicht gestaltbares Ereignis" und der "Erbfall unterliege stets der Erbschaftsteuer". Die gegen die tatbestandliche Ausweitung vorgebrachten Einwände, insoweit besteuere der Gesetzgeber nun abweichend vom bisherigen Verständnis auch vom Steuerpflichtige kaum gestaltbare Vorgänge, waren zwar insoweit zutreffend. Da einerseits auch die Erbfolge auf die Vermeidung eines deutschen Steuerzugriffs gestaltet werden kann und der Gesetzgeber darin frei ist, die Gesetzesmotive bei einer Gesetzeserweiterung zu ändern, war die Erfassung von Erbfällen zulässig. Der erweiterte Ergänzungstatbestand i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a.F. war ab VZ 2007 anwendbar (§ 21 Abs. 13 Satz 1 a.F.). § 6 Abs. 1 i.d.F. des ATADUmsG behält die Erweiterung auf Erbfälle erwartungsgemäß bei. Die in der Ursprungsfassung noch enthaltene Möglichkeit der Ermäßigung bzw. des Erlasses der Wegzugsteuer, wenn für die Anteilsübertragung Erbschaftsteuer zu entrichten ist, findet sich in § 6 seit der seinerzeitigen Neufassung durch das SEStEG nicht mehr.
Rz. 367
Vergleich zu § 6 a.F. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 erfasst allgemein "unentgeltliche Übertragungen auf nicht unbeschränkt steuerpflichtige Personen". § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a.F. hatte noch auf eine "Übertragung der Anteile durch ganz oder teilweise unentgeltliches Rechtsgeschäft unter Lebenden oder durch Erwerb von Todes wegen auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person" abgestellt. Die Neufassung ist insoweit v.a. sprachlich gestrafft worden und löst sich zugunsten einer mehr ertragsteuerrechtlichen Terminologie sprachlich von dem erbschaftsteuerlich geprägten Wortlaut der Vorgängervorschrift. Nach der Gesetzesbegründung und Ansicht der Finanzverwaltung sollen aber unverändert "wie bisher Übertragungen durch Rechtsgeschäft unter Lebenden oder durch Erwerb von Todes wegen" erfasst werden, so dass es bei dem bisher bereits zu § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a.F. entwickelten Verständnis bleibt. Dies ist bei der Auslegung zu berücksichtigen und hat insbesondere (auch) Bedeutung für die Auslegung des Begriffs der "unentgeltlichen Übertragung von Todes wegen" für Zwecke des § 6 Abs. 3 Satz 2 (s. Rz. 566 ff.) und Abs. 4 Satz 6 (s. Rz. 661 ff.). Die in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 nicht mehr vorhandene Unterscheidung zwischen "ganz oder teilweise" unentgeltlichen Rechtsgeschäften sollte nach dem gesetzgeberischen Willen offenbar zu keiner inhaltlichen Änderung gegenüber der vorherigen Fassung führen (s. Rz. 382).
Rz. 368
Keine Anwendung auf nur beschränkt steuerpflichtig...