Dr. Nils Häck, Dr. Julian Böhmer
Rz. 434
Vergleich des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 zu anderen Entstrickungsvorschriften. Tatbestandlich unterscheidet sich § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 teilweise von anderen Entstrickungsvorschriften. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 erfasst sowohl den "Ausschluss" als auch die "Beschränkung" hinsichtlich des Gewinns aus der "Veräußerung" der Anteile. Dies entspricht tatbestandlich § 17 Abs. 5 Satz 1 EStG (s. Rz. 87 ff.), § 16 Abs. 3a EStG (s. Rz. 74 ff.) sowie den umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsvorschriften (vgl. z.B. § 21 Abs. 2 Satz 2, Satz 3 Nr. 1 UmwStG). Gegenüber § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG 1995 (hierzu Rz. 51) ist er insoweit weiter gefasst, als der Tatbestand des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG 1995 nur erfüllt ist, "wenn das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile ausgeschlossen wird". Die "Beschränkung" des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Veräußerungsgewinns ist in § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG 1995 nicht tatbestandsgemäß. Wer in den Beispielsfällen zur "Beschränkung" des Besteuerungsrechts (s. Rz. 448 ff.) in praxi ggf. übersieht, dass es sich tatsächlich um alt-einbringungsgeborene Anteile i.S.v. § 21 Abs. 1 UmwStG 1995 handelt, wird möglicherweise einen nicht steuerbaren Vorgang als voll steuerpflichtig behandeln. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG 1995 wird aber ab dem 1.1.2025 nicht mehr anzuwenden sein (s. Rz. 342.1). Hingegen ist § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 enger formuliert als § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG, die jeweils auch den Ausschluss bzw. die Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der "Nutzung eines Wirtschaftsguts" erfassen.
Rz. 435
Gewinn aus der Veräußerung der Anteile. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 erfasst nur einen Ausschluss bzw. eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des "Gewinns aus der Veräußerung der Anteile". Ander als ggf. im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG ("Gewinn aus der [...] Nutzung des Wirtschaftsguts") ist der Ausschluss oder die Beschränkung des Quellensteuerrechts für Gewinnausschüttungen nicht tatbestandsrelevant. Aufgrund des systematischen Zusammenhangs zu § 17 EStG liegt es nahe, das Merkmal "Gewinn aus der Veräußerung der Anteile" in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 wie in § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG zu interpretieren. Mit dem "Gewinn", hinsichtlich dem das deutsche Besteuerungsrecht gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ausgeschlossen oder beschränkt sein muss, ist dann entsprechend der in § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG definierte "Veräußerungsgewinn im Sinne des [§ 17] Absatzes 1" gemeint. Dies ist "der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt". Zu sehen ist hierbei, dass bei der Ermittlung des (steuerpflichtigen) Veräußerungsgewinns 40 Prozent des Veräußerungspreises "steuerfrei" sind (§ 3 Nr. 40 Buchst. c EStG) und korrespondierend nur 60 Prozent der Anschaffungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte abgezogen (§ 3c Abs. 2 Satz 1 EStG) werden dürfen (sog. Teileinkünfteverfahren). Insoweit kann man sich fragen, ob sich § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 von vornherein auf den "gekürzten" Veräußerungsgewinn bezieht oder das deutsche Besteuerungsrecht am ungekürzten Veräußerungsgewinn schon im Ausgangspunkt durch § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG "beschränkt" ist, es im Rahmen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 dann um die Frage ginge, ob das bereits "beschränkte" Besteuerungsrecht "ausgeschlossen" oder weiter "beschränkt" wird. Da nicht der Veräußerungsgewinn i.S.d. § 17 Abs. 2 EStG um 40 % gekürzt wird, sondern gem. § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG die Bruttoeinnahmen, spricht viel dafür, dass § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 an den bereits nach Teileinkünfteverfahren "gekürzten" Veräußerungsgewinn anknüpft, der letztlich die Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausmacht. Unabhängig hiervon bezieht sich § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 nach seinem Wortlaut auf einen bei einer späteren Veräußerung tatsächlich erzielten bzw. erzielbaren Veräußerungsgewinn. Insoweit ist der Bezugspunkt nicht reduziert auf ein Besteuerungsrecht an unter der deutschen Steuerhoheit entstandene stillen Reserven ("Vermögenszuwachs"), sondern zielt auf einen nach Wegzug erzielbaren gesamten Veräußerungsgewinn. Ein bestehendes Recht Deutschlands (s. Rz. 436), diesen Betrag zu besteuern, muss "ausgeschlossen" (s. Rz. 437) oder "beschränkt" (s. Rz. 438) werden. Vor dem Hintergrund der Intention der Wegzugsbesteuerung, eine "Vermögensmehrung aus nachhaltiger persönlicher wirtschaftlicher Eingliederung in die deutsche Volkswirtschaft" zu erfassen (s. Rz. 301) bzw. sicherzustellen, "[...] dass dem deutschen Fiskus [...] kein im Inland entstandener Wertzuwachs entzogen wird", mutet es merkwürdig an, wenn § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 nicht an im Inland "verdiente" Vermögenszuwächse anknüpft, sondern an einen potentiell späteren Veräußerungsgewinn, der naturgemäß auch die bspw. nach einer Verlagerung des Lebensmittelpunkts in in einen...