Dr. Nils Häck, Dr. Julian Böhmer
Rz. 380
Voraussetzungen i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2. Die allgemeinen, für sämtliche wegzugsteuerrelevanten Tatbestände i.S.v. § 6 Abs. 1 geltenden Voraussetzungen ("übertragender" Anteilsinhaber ist natürliche Person, unbeschränkte Steuerpflicht i.S.v. § 1 Abs. 1 EStG, Voraussetzungen i.S.v. § 6 Abs. 2, Anteile i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG) müssen jeweils in den Fällen der "unentgeltlichen Übertragung" i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 erfüllt sein (ausf. Rz. 300 ff.). Anders als seine Vorgängerregelung spricht § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 nur von "unentgeltlicher Übertragung". Nach der Gesetzesbegründung und Ansicht der Finanzverwaltung sollen aber unverändert "wie bisher Übertragungen durch Rechtsgeschäft unter Lebenden oder durch Erwerb von Todes wegen" erfasst werden. Die Differenzierung in diese beiden Alternativen soll daher nachfolgend (weitgehend) beibehalten werden, auch wenn der Wortlaut eine solche nicht mehr enthält und tendenziell weiter gefasst sein könnte als seine Vorgängerregelung. Die Differenzierung hat nicht nur ordnenden Charakter, sondern hat nach hier vertretener Ansicht insoweit Bedeutung im Rahmen des § 6 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 6, als das Merkmal der "Übertragung von Todes wegen" in gleicher Weise interpretiert werden soll, wie das der "Erwerbe von Todes wegen" i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a.F. Erfasst sind nur Übertragungen auf "nicht unbeschränkt steuerpflichtige Personen" (s. Rz. 383). Ist der Erwerber hingegen in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig, kann eine Wegzugsbesteuerung nur unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ausgelöst werden.
Rz. 381
"Übertragung" der Anteile. Der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ist zwar gegenüber seiner Vorgängerregelung i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a.F. gestrafft (s. Rz. 367) und erfasst nun grds. mehr ertragssteuerrechtlich orientiert jede "unentgeltliche Übertragung" der Anteile. Nach der Gesetzesbegründung und Ansicht der Finanzverwaltung sollen aber unverändert "wie bisher Übertragungen durch Rechtsgeschäft unter Lebenden oder durch Erwerb von Todes wegen" erfasst werden. Eine "Übertragung" der Anteile im zivilrechtlichen Sinn macht an sich nur Sinn, soweit es sich um eine Verfügung über ein Recht handelt. Bei Schenkungen handelt es sich um entsprechende rechtsgeschäftliche Übertragungen. Eine "Übertragung durch Erwerb von Todes wegen" ist nicht nur sprachlich verunglückt, sondern erfasst an sich einen wesentlichen Teil der Konstellationen nicht: Denn der Erwerb von Todes wegen ist keine Vermögensübertragung, sondern ein "Vonselbsterwerb" durch Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB). Zu sehen ist aber, dass § 6 ertragsteuerrechtlicher Natur ist und die zivilrechtliche Strenge auch an anderen Stellen im Ertragsteuerrecht anerkanntermaßen nicht vollends durchgehalten wird. Auch nimmt der Begriff des "Erwerbs von Todes wegen" auf jenen in § 3 ErbStG Bezug, wo nicht nur Vonselbsterwerbe angesprochen sind.
Rz. 382
"Unentgeltliche" Übertragung. Eine (vollständig) "unentgeltliche" Übertragung ist gegeben, wenn für die Leistung im ertragsteuerrechtlichen Sinne keine Gegenleistung erbracht wird. Bei schenkweisen Übertragungen gegen wiederkehrende Leistungen kann es sich im Einzelfall um eine Gegenleistung handeln. Bei teilweiser Gegenleistung ist die Übertragung (auch) für Zwecke des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in einen voll entgeltlichen und einen voll unentgeltlichen Teil aufzuteilen (s. Rz. 389). Soweit es sich um eine entgeltliche Übertragung handelt, findet § 17 EStG unmittelbar Anwendung, im Übrigen § 6.
Rz. 383
Übertragung auf eine "Person". § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 spricht vom Anteilsempfänger als "Person", beschränkt den Empfängerkreis nach seinem Wortlaut – anders als den Kreis der Anteilsinhaber (s. Abs. 2 Satz 1) – also nicht auf natürliche Personen. Zwar deutete die Formulierung in § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a.F. ("Rechtsgeschäfte unter Lebenden") auf ein entsprechend eingeschränktes Verständnis hin. Im Hinblick auf den Sinn und Zweck des § 6 – der Vermeidung des besteuerungslosen Verlusts deutschen Steuersubstrats – entspricht eine Einschränkung auf natürliche Personen aber nicht dem gesetzgeberischen Willen. Dass der Personenbegriff in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 keine solche Einschränkung enthält, zeigt sich im Umkehrschluss auch an § 6 Abs. 3 Satz 5, der die Anwendung der Rückkehrregelung in den Fällen der Tatbestandsverwirklichung i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 davon abhängig macht, dass eine natürliche Person Erwerberin der Anteile ist. Folglich kann § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 grds. auch dann erfüllt sein, wenn Anteilsempfänger keine natürliche Person ist. Ist zivilrechtlicher Anteilsempfänger eine in- oder ausländische vermögensverwaltende Personengesellschaft (keine Mitunternehmerschaft), werden die Anteile anteilig den Gesellschaftern nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO a.F. bzw. – geändert im Anschluss an die Reform des Personengesel...